English synopsis, The Beggar's Diary 12.08.07. - It’s Sunday morning, and Filch walks through a deserted and unbelievably quiet Muenster. The public transport is not running. All one can hear are birds and cyclists. Surprisingly, a horse-drawn carriage passes by, and this makes Filch see horses just about everywhere. On polyester poles, huge horse heads announce that there is a horse tournament on today.
Punctually entering the FYAL, he starts reconsidering his position there. When he accepted the deal to have a daily free coffee there in exchange for promotion among SPM07 visitors, he HAD to accept, because it was so damn wet outside that he just needed a place where he could dry off for a few minutes before returning to the shower. But these days are different. It’s sunny, and more and more people are coming to meet him at the café. In other words, he’s bringing a lot of clients to the place, and this puts him in a better negotiating position. And what he wants is to be able to have a bath at least once a week at the one and only bar in Muenster equipped with a bathtub in the men's room. He wants to talk about it with the owner, but he is busy, and Filch must attend to his own visitors, a couple from Strasbourg.
And then to the Spiekerhof. To fight back the nausea induced in him by such a regular schedule, he ostentatiously opens and reads the book Die Schwarze Galeere, by Wilhelm Raabe … and his thoughts fly back again to Constanze. He now remembers saying, in one of his last appearances at the Metropolis Kino during The Beggar's Evenings, that Constanze “Was a useful fiction for Filch," and he hasn't heard from her since. No wonder. What woman likes to be a “useful fiction”? He should have just said: “Constanze is very important to me.” But he didn't, and the thought of it is torturing him.
Throughout the day, he engages his visitors in very important discussions about sculpture, about art's role in society, about public space, education (also sexual), citizen's rights, freedom. But nothing is of much importance to him when compared to the remorse he feels for having called Constanze “a useful fiction.”
Bettlertagebuch 12.8.2007
Der heutige Sonntag ist ruhig. So ruhig wie es Filch noch nie erlebt hat seit er in Münster angekommen ist. Irgendetwas ist heute anders in der Stadt, er versteht nicht was es ist, doch er spürt es deutlich. Nicht dass es ihn beunruhigt, nein ganz im Gegenteil. Er genießt diese Atmosphäre. Die Stadt scheint an diesem Morgen keine Stadt zu sein, sondern ein Dorf – das ist es. An anderen Sonntagen, auch wenn es sehr ruhig war, so war doch immer das ständige Hintergrundrauschen des Straßenverkehrs zu vernehmen. Aber heute gibt es Pausen der Stille zwischen den einzelnen Fahrzeugen. Momente wo nur Vögel und Fahrradfahrer zu hören sind. Und, weil eben doch immer (fast) alles zur rechten Zeit geschieht, fährt genau in diesem Moment ein Pferdekutsche vorüber. Es ist ein äußergewöhnlich schöner Tag. Schon warm und sonnig am Morgen und mit dem kräftigen Licht eines Augusttages. Jeder Monat hat seine eigene Lichtfarbe, denkt Filch. Ob er in der Lage wäre einen Lichtfarbkatalog herauszugeben? Dann könnte man anhand eines Stapels von Lichtfarbkarten die Färbungen vergleichen und den aktuellen Monat exakt bestimmen. Das wäre viel Arbeit und er ist sich nicht sicher ob ihm dafür noch genügend Zeit bleibt. Ohnehin haben Menschen, die es nicht geschafft haben Bettler zu werden oder Pilot (http://beta.thebeggarsopera.org/node/108 ), sondern die Arbeiten müssen, keinen sehr ausgeprägten Sinn für solcherlei Realitäten. Sie bevorzugen es auf die Uhr oder den Kalender zu schauen und nehmen es dafür gerne in Kauf, nicht zu wissen welcher Monat es wirklich ist. Würde man alle Kalender auf einmal umstellen, sagen wir von August auf März, würden sie das vielleicht gar nicht bemerken. Eventuell würden sie sich darüber wundern, dass es so ein so warmer März ist aber nicht in Frage stellen, dass es März ist. Zumindest die ›Legalisten‹ und die ›Gutgläubigen‹ unter ihnen würden so reagieren, und von diesen beiden Kategorien gibt es in dieser Stadt überraschend viele Vertreter*. Gerade in diesem Moment erlebt ein Beispiel. Er ist vor dem Landesmuseum angekommen und hört wie ein Mann Münster vorstellt als »Die Stadt des Westfälischen Friedens und die fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands«. Die Leute nehmen das einfach so hin. Über diesen ominösen Westfälischen Frieden weiß er nicht so viel, nur dass er schon sehr lange her ist, denn dass steht auf einer die vielen Bodentafeln irgendwo in der Stadt. Aber fahrradfreundlicht ist diese Stadt ganz sicher nicht. Eher schon Polizistenfreundlich – doch .... gut nicht darüber nachdenken, nicht wütend werden, geschehen ist geschehen ... (http://beta.thebeggarsopera.org/node/86)
* http://beta.thebeggarsopera.org/node/94
Seit kurzer Zeit sind überall in der Stadt riesige Pferdeköpfe aufgestellt, mit Plakaten daran, die die Aufschrift »Turnier der Sieger« trägt. Würde nicht auch noch eine Grafik mit einem springendem Pferd samt Reiter abgebildet zu sein, zu leicht könnte man denken, es wären die Pferde, die besiegt und nun als Trophäen aufgestellt wurden. Er hat das mal irgendwo gesehen. Da haben alte Völker die Köpfe ihrer besiegten Feinde an Pfählen aufgestellt. Ob sie bei diesem Turnier auch Pferdefüße als Aschenbecher benutzen (http://beta.thebeggarsopera.org/node/69)? Na was kümmert es ihn. Er ist inzwischen bei seinem Kaffee-Sponsor angekommen und hat bereits einen anderen Gedanken im Kopf. Damals, als er den Kultur-Sponsoring-Vertag abgeschlossen hatte, war er unter Zugzwang. Es regnete ohne unterlass und er brauchte einen trockenen Ort. Mittlerweile scheint sich aber das Blatt gewendet zu haben. Jetzt kommen sogar Leute aus anderen Städten, um ihn dort zu besuchen. Er sollte noch einmal verhandeln. Seine Position ist jetzt besser. Einmal pro Woche Baden wäre nicht schlecht. Als er ankommt ist Hannes (Name geändert), der Inhaber und sein Geschäftspartner schon dort und begrüßt Filch freundlich. Doch für Geschäftliches ist jetzt keine Zeit, denn ein Ehepaar aus Straßburg wartet bereits auf ihn. Um höflich zu erscheinen versucht Filch einige Worte französisch zu sprechen, ist aber froh, dass ihr deutsch makellos ist, denn sonst würden sie nicht viel reden können. Die beiden sind viel herumgekommen. Sie verreisen oft. Aber für einen Tag nach Straßburg zu fahren, das wäre zu weit. Und es liegt nicht auf ihrer Strecke. Sie fahren morgen nach Kassel.
Hier bemerkt Filch ein weiteres, interessantes Phänomen: Wie schnell kann es geschehen, dass sich ein so heftiger Wunsch (wie der seine chinesischen Kollegen in Kassel zu sehen) relativieren kann. Er ist ihm unheimlich, dass Menschen (und Skulpturen) offenbar in der Lage sind – wenn sie nur genügend Zeit haben – ihre tiefen Wünsche aufzugeben, nur weil sie unerfüllbar scheinen. Ja, er fände es immer noch schön, die Chinesen zu treffen, aber er ist nicht mehr getrieben von dieser Idee. Vielmehr beschäftigt ihn, was die beiden Franzosen von Frankreich erzählen. Da gibt es eine Gegend, in der die Häuser in Felsen hinein gehauen sind. Daher ist es dort immer angenehm kühl, man braucht keine Klimaanlage und kann dort Champignons züchten. Diese werden dann auch gleich im Restaurant, das in derselben Höhle untergebracht ist, serviert. Aber auch die Champignons sind zu weit weg um sie für einem Tag zu besuchen. An seinem laden haben die beiden großes Interesse. Sie wollen unbedingt etwas tauschen und bieten einen Gutschein von einer Pariser Bäckerei in Höhe von 1,49 und 3 Euro im Tauscht gegen zwei seiner neuen Filch Pins.
Doch jetzt ist es Zeit für die Ladenöffnung am Spiekerhof – Pflicht ist Pflicht. Die Vielzahl der Kunst-Touristen, interessieren ihn nicht mehr. Wenn sie ihn aus einigen Metern Entfernung begaffen, dann beginnt er demonstrativ in »Die Schwarze Galeere« zu lesen: Jan und Myga ist die Flucht leider nicht geglückt. Sie wurden von den bösen Spaniern gefangen genommen und auf das Schiff »Andrea Doria« gebracht. Der Kapitän will Myga zu seiner Geliebten machen, ist aber zu verwundet um es zu vollziehen. Jan entkommt und greift später mit der Schwarzen Galeere die Andrea Doria an und erobert seine Verlobte und das Schiff. Dafür wird er vom Steuermann selbst zum Kapitän befördert und steht nun mit Myga auf dem Deck und segelt in die Freiheit. Ach wie schön! – findet Filch und er fragt sie wieder einmal, was Constanze wohl macht. Er hat sie lange nicht mehr gesehen. Von seiner nächtlichen Aktion mit den Zetteln (http://beta.thebeggarsopera.org/node/68) ist noch genau einer übrig geblieben. Er hängt gegenüber dem Pernice-Pavillon. Aber die Schrift ist schon ganz ausgewaschen. Wird es ihm mit Constanze eines Tages genauso gehen, wie mit dem Wunsch nach den Chinesen? Vielleicht nicht, aber es mag der Tag kommen, an dem er einsehen muss.... vielleicht hätte er schon längst einsehen sollen...? Aber warum sollte er. »Als Fiktion jedenfalls ist sie für mich sehr nützlich« waren doch seine eigenen Worte auf dem Beggars Evening. Er hätte besser »sehr wichtig« gesagt, das tut ihm jetzt leid.
Wie auch immer! Der Mann aus Stuttgart, der ihn gerade anspricht findet Wilhelm Raabe doof. Er mag lieber Kurzgeschichten und Kunst, die man nicht so leicht als Kunst erkennen kann. So wie bei Filch eben. Er hat sogar ganze drei Tage lang nach ihm gesucht. Und die Toiletten von Feldmann findet er auch toll, denn die sehen nicht aus wie Kunst und sind für die Leute nützlich. Da ist sie schon wieder diese unnütze Nützlichkeitsdebatte! Doch diesmal stößt Filch mit seinen Einwänden auf offene Ohren. Der Mann findet seinen Gedanken gut, dass Kunst zu nichts nütze sein soll. Sie soll doch einfach nur da sein, so wie er eben. Und Filch gibt sich wirklich alle Mühe keinen Nutzten für irgendjemanden zu haben. In Bezug auf die Feldmann-Toiletten findet er es einen Skandal, dass sie nicht zum Skandal geworden sind. Schließlich wäre es doch die Aufgabe des Bürgermeisters oder des reichen Herrn Kettlers die Toiletten zu sanieren. Und jetzt wird wertvolles Geld für die Kunst an Toiletten mit Sinn verschwendet und keiner regt sich darüber auf, dass die Politik versagt hat! Von diesem Gedankengang ist der Stuttgarter begeistert und sie reden noch lange. Er hätte ihn sogar mit in den Urlaub genommen, sagt er, doch müsse er leider heute Nachmittag schon wieder zurück nach Hause. Doch er wird Freunden bescheid sagen, dass sie, wenn sie nach Münster kommen und ihn abholen. Es ist zwar nur eine wage Hoffnung, doch immerhin ein Anfang. Der Stuttgarter will unbedingt einen seiner gelben Schwämme haben und tauscht ihn gegen zwei Kondome. Und weil eben alles immer zur rechten Zeit geschieht, oder eben nicht, kommt genau heute eine Gruppe Kinder vorbei. Während er ihnen noch erklärt, wie sein Tauschladen funktioniert, ruft eines der Kinder wie aus heiterem Himmel:»Was ist denn das?« und deutet natürlich auf die Kondome. Der Betreuer versucht abzulenken mit den Worten »Jetzt hör doch dem Mann zu, der redet doch gerade«. Aber das ist nicht Filchs Art. Und als das Mädchen erfährt, dass dies für Erwachsene ist, wenn sie keine Kinder kriegen wollen, ist sie durchaus zufrieden mit dem neuen Wissen und fragt nicht weiter nach. Denn sie haben eine wichtigere Mission, als sich um die Dinge der Erwachsenen zu kümmern. Sollen die großen das doch selbst machen. Die Kinder müssen nämlich einen Fragebogen ausfüllen. Dazu gehört auch eine Münsteraner zu fragen, was er an Münster mag und was nicht. »Ich mag die Badewanne auf dem Herrenklo des fyal und ich mag nicht, dass man keine Nachrichten an die Kirche schreiben darf.« In Minden sei das auch verboten, sagt die vermutlich älteste der Gruppe. Und mit einem sehr feinen und präzisen Humor im Tonfall fügt sie an »Das ist wohl in allen Städten so, die mit ›M‹ beginnen.«
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