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English Synopsis, The Beggar's Diary, 11.08.2007. - Filch The Beggar will not forget the events from yesterday evening very easily. Paul's enigmatic sentence, "The winner is the one who has more toys in his grave." seems to have been branded forever on his mind. It is true, he has let himself be carried away by society's hysterical credo that the purpose of life is to achieve something. As long as he can remember, he has been obsessed with this idea.
In fact, his life is constantly swinging back and forth between two states:
He passionately pursues something that can change his life forever, and one way of changing his life forever would be to become rich—that is what all beggars want, isn’t it? But then what? Is becoming rich a way to reduce the fear of his inescapable end? Certainly, but all the money in the world cannot change the fact that in October he will be no more.
But he is also afraid of the safety that money might bring. He is afraid of routine, of repeating each and every day what he did the day before. He has had some success, in a way. He is well integrated into society: people wait for him, look for him, smile at him, and photograph him. He feels wanted. But sometimes he just experiences an absolute impossibility of escaping. He is confined. Confined by his own success, by the warmth of the people he appreciates so much. They miss him when he is not there. There was a time when he wanted that so much!
(http://beta.thebeggarsopera.org/node/66)
And now the thought of it makes him panic.
He decides to take the day off. He goes to a (fake) sun paradise. He attends a catholic wedding. He marks the places he passes by with a big "06" number surrounded by a circle and with today’s date. It’s only later on that he realizes he actually wrote down tomorrow's date. So much the better: he will have to go back to those places again tomorrow. To repeat the day's routine, he has been told, slows down the aging process.

Bettlertagebuch 11.08.2007
Der gestrige Abend hat seine Spuren hinterlassen. Philosophisch, denn der Satz des Piloten Paul (»The one who dies with the most toys wins«) beschäftigt ihn seither. Es ist war, dass er sich leicht anstecken lässt von dieser gesellschaftlichen Hysterie, irgendetwas zu erreichen. Letztlich, so wurde ihm an diesem Morgen klar, ist sein Leben ein ständiges Hin und Her zwischen zwei Zuständen. Entweder versucht er leidenschaftlich (und manchmal durchaus auch verzweifelt) etwas zu erreichen. Er sucht nach der einen Idee, die sein Leben für immer verändern wird. Und eigentlich hat er keine genaue Vorstellung davon, was er eigentlich erreichen will. Reich sein, sicherlich – das wollen ja fast alle Bettler. Aber Reichtum wofür? Welche neuen Möglichkeiten böte ihm ein plötzlicher Wohlstand? Die Sorge um die Zukunft würde vielleicht verschwinden – oder zumindest abnehmen. Aber alles Geld der Welt könnte nichts daran ändern, dass der Oktober stetig näher rückt. Auf der anderen Seite, sobald er etwas erreicht hat – und das hat er zweifellos - macht ihm das genauso viel Angst. Er ist mittlerweile in die Stadtgemeinschaft integriert. Menschen kommen um ihn zu besuchen, oder weil sie von ihm gehört haben. Die Bedienung vom Kleinen Kiepenkerl hat in sogar vermisst! Was hätte er am Anfang darum gegeben, wenn ihn damals jemand am Streichelzoo vermisst hätte (http://beta.thebeggarsopera.org/node/66).
Und jetzt? Jetzt bekommt er Panik, weil sein Leben so vorhersehbar geworden ist. Das schlimmste, was ihm gesehen könnte ist, einfach so weiter zu existieren ohne, dass irgendetwas Unvorhergesehenes geschieht. Er ist eben doch zu sehr ein Vagabund, einer der sich immer wieder neu erfindet, wenn es der Augenblick erfordert. Sein Schädel brummt – doch nicht nur wegen der Gedanken. Auch die kostenlosen Biere auf der Geburtstagsfeier haben ihm kräftig zugesetzt. Das Paracetamol erscheint ihm heute wie ein kleines Paradies. Der Kaffee im fyal tut sein Übriges. Auf dem Weg zum Spiekerhof kommt er an einem Stand vorbei, der über das Tagespflegeangebot für alte Menschen in Münster informiert. Die Frau ist äußerst nett. Sie bekräftigt ihn in seiner Ansicht, dass es gut ist sich frühzeitig mit dem Altern zu befassen, das nehme die Angst davor. Die Menschen, die in diesen Einrichtungen versorgt werden scheinen es gut zu haben und nicht selten würden aus scheinbar senilen Alten wieder lebenslustige Menschen – so erzählt die Frau. Denn Krankheit sei oft ein Versuch, der Einsamkeit zu entfliehen. Wenn es doch auch für ihn einen solchen Ort gäbe – wenn er wüsste er könne über den September hinaus existieren, dann wäre sicherlich auch die Verzweiflung über sein festgefahrenes Leben nicht so groß. Aber er hat eben nicht so viel Zeit wie andere.

Da auch das Paracetamol seinen Brummschädel nur ungenügend besänftigt, entscheidet er sich heute frei zu nehmen. Zwar geht er zum Spiekerhof (schon um seinen Stammplatz dort nicht zu verlieren) aber anstatt seinen Laden aufzubauen, beginnt er in dem Buch »Die Schwarze Galeere« von Wilhelm Raabe zu lesen (dass er vor einigen Wochen im Flohmarkt Müll gefunden hat). Neben sich hat er ein Schild aufgebaut auf dem steht »Heute Betriebsferien« (»Today out of service«). Das Buch ist sehr spannend auch wenn das Lesen wegen der altmodischen Schrift etwas Mühe. Die Erzählung handelt von einem langen Krieg, irgendwann gegen Ende des Mittelalters. Und davon, wie ein einziges Schiff der Holländer, die große Spanische Flotte in Angst und Schrecken versetz. Doch die Konflikte sind ihm irgendwie unklar. Es geht um Katholiken und Protestanten, wie auch um verschieden Nationalitäten und dann wieder einfach nur um Geld. In dem Moment, indem Jan seine Verlobte Myga in Gefahr bringt, weil er ihre Wohnung als Versteck benutzt und entdeckt wird, schlägt eine Kirchenglocke ein Uhr und seine Schicht vorbei. Er beginnt durch die Stadt zu wandern. Er möchte gerne einen ganzen Tag Urlaub machen. Doch soll ein anderer Entscheiden wo er hinfährt. Im Detail bedeutet sein Plan, dass er jemanden finden will, der ihn einen Tag lang mit in den Urlaub nimmt. Doch kann man einfach so Urlaub machen, oder braucht das eine bestimmte Vorbereitung? Er weiß es nicht, hat er doch noch nie Urlaub gemacht. Von einem Passanten erfährt er, das wichtigste sei sich vorzubräunen, sonst bekomme man einen ganz schlimmen Sonnenbrand. Wie das gehe, sich vorbräunen? Am besten in einem Solarium, erfährt er. Es ist ihm ernst. Also investiert er die nötigen fünf Euro und betritt ein Sonnenstudio in einer kleinen Seitengasse der Fußgängerzone. Die Frau an der Theke beäugt ihn skeptisch. Ob er denn schon mal auf einer Sonnebank war? Nein. Und wie gut er denn Sonne vertrage? Eigentlich ganz gut, er sei ja den ganzen Tag draußen. Aber sie ist nicht so ganz überzeugt und will ihm nicht mehr als 15 Minuten verkaufen. Ob das denn reiche, um sich vorzubräunen, will er wissen. Das könne sie nicht sagen, aber es wäre besser im Zweifel noch einmal wiederzukommen, als puterrot das Studio zu verlassen. Filch ist sich nicht sicher, ob sie ihn nur deshalb keine 20 Minuten verkaufen will, damit er noch mal wiederkommt. Aber schließlich willigt er ein. Die Sonnenbank gefällt ihm, es ist warm und hell dort, ein Ventilator simuliert einen frischen Meerwind und ein Lautsprecher spielt die aktuellen Urlaubshits. Die Zeit ist schnell vorüber. Filch ist von dem Ergebnis enttäuscht. Er hat sich vorgestellt, richtig braun zu werden, aber sein Teint ist nur unwesentlich dunkler geworden. Dies allerdings wird sich bis zum Abend gründlich geändert haben und dann ist er sehr! froh, dass er nicht auf weitere fünf Minuten bestanden hat. Gesicht und Arme sind in ganz ansehnlichem Zustand geblieben. Doch Rücken und Brust haben die Färbung eines gesunden Ferkels angenommen. Aber das Schlimmste ist: Die Kopfstütze war ihm offenbar verrutscht. Gemerkt hat er es nicht, doch zeichnen sich deren Konturen nun deutlich auf seiner linken Schulter ab. Ein hässlicher weißer Fleck ist dort geblieben! Er versucht es mit vergleichen aus der Literatur, um seine Scham in den Griff zu bekommen. Die Buckel von Riff Raff oder dem Glöckner von Notre Dame helfen nicht. Doch als ihm Siegfried der Drachentöter einfällt, ist er zufrieden. Immerhin hat auch der berühmte Held nicht gemerkt, dass ihm ein Blatt auf die linke Schulter gefallen war, als er im Drachenblut badete. Gott sei Dank, sieht man sein Drachentöter-Mal nicht, wenn er ein T-Shirt trägt. Warum ist in dieser Welt eigentlich alles schwierig? Sogar in Urlaub fahren muss man lernen!

Doch noch ist seine Hautfarbe normal und es ist Nachmittag. Filch ist zuversichtlich, bald Urlaub zu haben und beschließt sich einer Hochzeitsgesellschaft anzuschließen, die sich gerade in der Überwasserkirche versammelt. Er fühlt sich sehr fremd in dieser Umgebung. Und die Zeremonie ist irgendwie beängstigend. Zu viele Dinge muss das Brautpaar dem Pfarrer versprechen. So zum Bespiel, dass die Kinder auch getauft werden und dass sie der Gemeinde dienen sollen, und der ganzen Menschheit. Wie zum Teufel soll das denn gehen? Der ganzen Menschheit! Das ist so wie in der zweiten Auflage des Ausstellungsstadtplans, wo es heißt Filch sei überall in der ganzen Stadt. Das geht doch gar nicht. Dann wird gesungen, was ihm wesentlich besser gefällt. Zwar kennt er den Text nicht, aber die Melodie ist über weite Strecken einem Lied aus der Sesamstraße verblüffend ähnlich. Und der Text passt auch ganz gut. Also singt er so gut er kann:

Hätt ich Dich heut erwartet hätt ich Kuchen da, Kuchen da, Kuchen da

Hätt ich dich heut erwartet hätt ich Kuchen da, na wie geht’s na wie steht’s, na wie geht’s

Hätt’st du nur was gesagt hätt ich Musik bestellt, die besten Musikanten von der Welt

Hätt’st du nur was gesagt hätt ich Musik bestellt, und dich empfangen mit trara.

Ich weiß nicht wo du herkommst, bei dir kenn ich mich nicht aus,

Doch das hat nichts zu sagen und ich will dich auch nicht fragen, komm fühl dich wie zu Haus!

An die zweite Strophe kann er leider nicht erinnern, nur noch daran, dass das Krümelmonster immer versucht hat Ernie zu unterbrechen und laut Kekse! rief. Ob der Pfarrer das Lied auch kennt? Oder warum hat diese Melodie gerade vor dem Abendmahl angesetzt?

Zum Abschluss lässt das Brautpaar noch vor der Kirche rote Luftballon-Herzen Fliegen, Das findet Filch besser als der ganzen Menschheit zu dienen.

Er zieht weiter durch die Stadt, lässt sich ziellos treiben. An allen Orten an denen länger verweilt, schreibt er mit Kreide seine Nummer Sechs auf die Straße, dazu das Datum und die Urzeit zu der er dort war. So können die Leute, wenn sie wollen sich auf seine Spuren begeben. Doch es ist heute kein guter Tag für Unternehmungen. Erst nach einer Weile fällt ihm auf, dass er versehentlich das Datum von Morgen aufgeschrieben hat. Nun gut, dann muss er sich eben morgen wieder an die gleichen Stellen setzen. Regelmäßige Tagesabläufe bremsen im Übrigen den Alterungsprozess – das hat ihm die Dame am Vormittag erzählt.

Zum Abschluss besucht er noch einmal kurz den Elefanten am Hafen (http://beta.thebeggarsopera.org/node/90), weil er ihn so schön findet. Und auf dem Rückweg in die Stadt, begegnet er einem Hund, der mit seinen Verbänden an den Füßen aussieht, als trage er Schuhe. Der Grund ist leider nicht so putzig, denn das arme Tier ist durch eine Pfütze mit einer ätzenden Flüssigkeit gelaufen. Das ist nun zwei Wochen her und seit einigen Tagen kann er wieder schmerzfrei laufen. Auf dem restlichen Weg zum Museum beobachtet Filch den Boden zur Sicherheit ganz genau.