English synopsis. The Beggar's Diary, 26.07.07. - Have you ever seen Blade Runner? Much as Rachael and Roy Batty in Ridley Scott's film (and Philip K. Dick's novel), Filch The Beggar has finally realized that he is mortal, that one day he will be no more. Last Wednesday, 25 July, he had his second theatre presentation (that's why there were no diary entries for the last two days: he was too busy to report. Incidentally, his next theatre performance will be on Wednesday August 8, 17:00 at the Metropolis Kino, Berlinerplatz, Muenster) … anyway, as I was saying, he had his second theatre presentation and he opened it very appropriately with the famous verses of Hamlet:
To be, or not to be: that is the question:
Whether 'tis nobler in the mind to suffer
The slings and arrows of outrageous fortune,
Or to take arms against a sea of troubles,
And by opposing end them? To die: to sleep;
No more; and by a sleep to say we end
The heart-ache and the thousand natural shocks
That flesh is heir to…
And the tone was settled for his very existential stand-up routine. The questions from the public were copious and probing, and could on the whole be divided into three categories:
1- Who will pay Filch's debt with the law (see http://beta.thebeggarsopera.org/node/86)? Will public money be used for that? Who has been fined: Filch, the actors playing him, or SPM07? Or, better put, why should the good citizens of Muenster waste money on such an empty-headed character who cannot tell the difference between a red light and a green light?
2- What is the relation between Filch and his creator (Dora García, we assume)? When was Filch born, and does he have memories of that moment? When will he die? – Very pertinent questions for a Blade Runner character.
3- Is Filch art? Could he imagine himself in a museum? – We won't comment on this one, so alien it is to us.
Actually, questions one and two have been constantly on Filch's mind since then. To imagine himself in October as a plush souvenir for the visitors of Muenster (a bit like the black swan) is not much better than to imagine himself as a corpse in a crematorium. As for the first question, Filch has been devoting all his time to envisioning ways to get hold of the money, using all his entrepreneurial and begging skills, and pay the 90 euro fine.
Bettlertagebuch 26.07.2007 (Donnerstag)
Wichtige Meldung: Der Wohnwagen ist wieder da – Filch ist beruhigt. Es sieht so aus, als sei er von jemandem geklaut worden, der gar nicht wusste, dass es sich dabei um eine Berühmtheit handelt. Zu gewissem Ruhm ist Filch auch gekommen. Die Sache mit dem Strafzettel hat ungewollt viel Aufsehen verursacht. Gestern war er damit in der Zeitung. Gleich zweimal: Ein kurzer Text auf der Vorderseite und ein Vierspalter mit zwei Farbfotos im Kulturteil. Das bringt gewisse Möglichkeiten mit sich, die Verluste wieder auszugleichen. Doch dazu später.
Erst einmal Kaffee im Fyal. Heute ist die Bedienung besonders froh ihn zu sehen. Erst jetzt habe Sie verstanden, dass er der Bettler aus der Ausstellung sei. »Du schreibst auch Tagebuch?« fragt er nach. »Naja, also genauso genommen bin das nicht ich, sondern mein Darsteller.« antwortet er Wahrheitsgemäß. Die Antwort überrascht. Ja, den kenne er, der war letztens auch hier. Engländer oder Amerikaner – auf jeden Fall sprach er Englisch. Der bekommt auch immer einen Kaffee. Filch stutzt für einen Moment, doch dann versteht er! »Nein, der kommt aus Belgien, spricht aber oft Englisch, weil, das für ihn leichter ist als Deutsch.«
Nicht nur durch die Begegnung mit dem Ordnungshüter (http://beta.thebeggarsopera.org/node/86) weiß Filch, dass seine Existenz für Nicht-Kunstwerke scheinbar überaus komplex zu sein scheint. Deshalb verzichtet er auf weitere Aufklärungen. Er hat gefallen gefunden an diesen kleinen Ungenauigkeiten. Warum sollten sie auch nicht existieren. Sind Fehler nicht letztlich immer Neu-Schöpfungen – also Erfindungen? Eine Welt ohne Fehler ist eine Welt im Stillstand. Filch ist beschwingt und immer noch ein wenig mit Gedanken über sich selbst und die Welt Beschäftig, seit er gestern wieder auf der Bühne des Metropolis Theaters stand. Die Besucher haben aufmerksam seinen Schilderungen gelauscht. Anschließend kamen die Fragen, sehr viele Fragen waren es diesmal. Und unglaublich grundsätzlich. „Haben sie noch Erinnerungen an die Zeit, in der Sie geschaffen wurden?“ war eine davon? Mal ganz ehrlich, darüber hat sich Filch vorher noch nie Gedanken gemacht. Warum sollte er auch. Ist man nicht einfach immer schon da gewesen, zumindest irgendwie? Nicht dass er glaubt ewig zu sein – ganz sicher nicht. Was denn im Oktober mit ihm geschehe, war auch so eine Frage. Doch bei diesem Gedanken packt ihn die blanke Angst. Nein, in diesem Punkt unterscheidet er sich nicht von all den anderen. Die Zukunft kennt er nicht. Auch wenn in seinem Leben sich vieles anzukündigen scheint. Die Verschwörungsgedanken hat er fallen gelassen, als das gestohlene Kunstwerk wieder aufgetaucht war. Aber trotzdem: Da bleibt immer noch der Mann von der Bäckerei und das Medium, die beide der seinen Reichtum vorhergesagt hatten (http://beta.thebeggarsopera.org/node/67) und schon der Gedanke sich in die Nachfolge von George Clooney (http://beta.thebeggarsopera.org/node/84) zu stellen, machte ihn unversehens zum (berühmten) Kriminellen. Aber vor dem Oktober hängt ein schwarzer Schleier. Ein Fortleben als Stadtmaskottchen von Münster könnte er sich schon vorstellen. Vielleicht würden sie ihn ja ein oder zwei Monate auf Probe einstellen. Er weiß nur nicht wie man sich dazu bewirbt.
Auf dem Weg vom fyal zum Spiekerhof geht er an seinem neunen Briefkasten vorbei, findet aber leider keine neuen Nachrichten. Dann muss er seine zwei Stunden absitzen. Der Akkordeon Spieler ist wieder da und begrüßt ihn mit einem Lächeln. Heute funktioniert sein Instrument tadellos und sein Spiel lädt zum tanzen ein. Filch unterbricht für ihn sein Gitarrenspiel gerne. Weitere Besonderheiten an diesem Vormittag: Eine zerlegte Schaufensterpuppe im Damenbekleidungsgeschäft, an der sich die Ladeninhaber offenbar nicht stören. Vielleicht finden sie es ja auch ganz schön. Filch jedenfalls mag das Bild mit den abmontierten Armen und der danebenliegenden Perücke. Dann noch ein Ehepaar aus Italien, die zusammen mit ihren beiden Graupapageien Reisen. Filch hätte sich gerne noch ein wenig mit ihnen unterhalten, aber er spricht kein Italienisch. Spanisch im Übrigen auch nicht auch wenn das der Ausstellungsführer für Kinder behauptet. (Wieder so eine schöne kleine Ungenauigkeit.)
Die Aufgabe für den Rest des Tages ist eine schlichte Notwendigkeit. Er braucht Geld um seine Schulden zu bezahlen. Bei dem Marktforschungsbüro brauchen sie heute leider keine Männer – nur Mütter mit Kindern. Auch bieten sie ihm keine Provision an, falls er ihnen Mütter mit Kindern vermittelte. »Haben Mütter denn nicht immer Kinder?« Wundert sich Filch, aber gestern hat er genug philosophiert und hat daher kein Interesse diese Frage zu vertiefen. Also bleibt nur der direkte Weg an Geld zu kommen: Leute ansprechen, von seinem Unglück erzählen und um Geld bitten. Als Dankeschön für jede Spende übergibt er eine zusammengerollte und mit einem Schmuckband versehene Kopie des Zeitungsartikels. Er hat auch noch »Danke« an der Rand geschrieben und ein Autogramm darunter gesetzt. Es läuft erstaunlich gut. Das versöhnt ihn mit den Münsteranern ein wenig. Nur ein Mann sagt ihm gerade ins Gesicht, dass er dieses Projekt nicht unterstützen wolle. Es gäbe schon genug Lügen in der Welt. Das wiederum findet seine Ehefrau so herzlos, dass sie ihm aus Protest zwei Euro mit der Bemerkung gibt: »Wir müssen nicht immer einer Meinung sein«. Ein anderes Paar findet die Geschichte so haarsträubend, dass sie ihm gleich einen Zehn-Euro-Schein in die Hand drückt. Ermutigt, von dem Erfolg beschließt Filch seine Aktion ein ganz klein wenig zu dramatisieren und malt sich noch ein »Schulden-Thermometer« in dem er mit rotem Filzstift den aktuellen Geldstand einzeichnet. Als schließlich nach 17.00 die letzte offizielle Führung am Museum gestartet ist, nimmt Filch auch diesen Geschäftszweig für einige Stunden wieder auf. Es war ein Tag harter Arbeit – doch zeigt sein Thermometer am Ende 48,82. Und ein kleiner Hoffungsschimmer steht am Horizont. Er hat an der »Blume von Münster« einen jungen Polizisten (außerhalb seiner Dienstzeit) gesprochen, der die Strafe auch für übertrieben hielt. Zwar kannte er seinen Kollegen nicht (oder sagte das zumindest), fand aber es sei gar nicht für das Image der Stadt so hart durchzugreifen. »Mal sehen, was sich da machen lässt«, sagt er und übergibt ihm zwei Euro. Fame brings Freedom!
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