English synopsis, The Beggar's Diary, 14.08.07. - After an uncanny encounter with the police officer who so unfairly pinned a heavy, 90 Euro fine on him (see http://beta.thebeggarsopera.org/node/86)* , Filch gets himself ready for the great reopening of his Spiekerhof stall, on the occasion of the full reparation of his long-term-lease street lamp (see yesterday's post).
Preparations involve assembling, with some of his merchandise, "special collector's packages (thematically selected)"; this happens at the "bar where he usually drinks coffee at 10:30."**
Adorned with the beautiful collector's packages, Filch’s Spiekerhof stall looks gorgeously professional; so professional, in fact, that a couple of police agents ask to see his trade license. It is certainly curious, isn’t it, that although there are always two cops, it is always only one who does the talking. The loquacious police officer never heard of Sculpture No. 06 before—he’s just back from holidays (8 weeks of holidays, thinks Filch, wow!). But if it is true he is a sculpture, then everything is "I.G.O." (someone explains to Filch that this means "in good order"). If he is NOT a sculpture, then he must get a trade license, register his fixed address, and he cannot play an instrument with an amplifier. And, without an amplifier, he cannot play for longer than half an hour.
It pays to be a sculpture, thinks Filch, but how to prove it?
There is a third man, he just realizes now, accompanying the police agents. They talk amongst themselves, turning to stare now and then at Filch, who’s standing just a few meters away. Somehow this awakes in Filch a strong urge for civil disobedience. Filch is convinced that the good people of Muenster are all ready to fight for justice (whether justice be about the existence of The Thread, the payment of his 90 Euro fine, or his own identity as a sculpture). They just need the right leader. That leader could be him.
*which, thanks to the generosity of his public, Filch is now in the position of paying.
**He promised himself not to mention the name of that bar any longer, at least until the affair with the bathtub is cleared up (see yesterday's post).
14.08.2007
Am Morgen begegnet Filch, zum ersten Mal seitdem er den Strafzettel bekam, wieder dem Greifer. Wie es so seine Art ist, lauert er mit dem Motorrad hinter einer Ecke und wartet darauf, einen Fahrradfahrer zu überlisten. Doch geht es heute wirklich um Fahrradfahrer und rote Ampeln? Zweifel sind angebracht, denn als er Filch erblick startet er seine Maschine und fährt weg. Ob er eine Begegnung mit ihm vermeiden möchte, weil er jetzt berühmt ist und ihm womöglich Schaden zufügen könnte? Quatsch, Filch mag ein wenig bekannter geworden sein, aber einflussreich ist er noch lange nicht. Das muss Zufall gewesen sein.
Er hat anderes im Sinn. Heute ist der Tag des Grand Openings am Spiekerhof. Seinen Vertragskaffee im nun allseits bekannten gastronomischen Betrieb nimmt er verabredungsgemäß zu sich. Er hat beschlossen, den Namen des Etablissements von nun an nicht mehr zu erwähnen, bis die Sache mit der Badewanne geklärt ist. Es ist Zeit den Druck auf die Wirtschaft zu erhöhen. Auch wird er dort vorläufig keine Besucher mehr treffen. Seit der gestrigen Straßenumfrage ist ein Wunsch nach Rebellion in ihm erwacht. Wie kann es sein, dass die überwältigende Mehrheit der Einwohner das Reitturnier missachtet und es dennoch direkt vor dem Schloss ausgetragen wird? Wissen die Leute nicht, was ziviler ungehorsam ist? Haben sie nie davon gehört, dass man Dinge verändern kann? Filch ist fest entschlossen zu kämpfen. Er wird seinen Freund, den Faden nicht im Stich lassen. Immerhin ist er mit ihm verbunden, nicht nur im Geiste, auch durch seinen Indianischen Namen (http://beta.thebeggarsopera.org/node/93) Paul wäre jetzt sicher an seiner Seite (http://beta.thebeggarsopera.org/node/108). Doch er ist sicher schon wieder ganz weit weg oder gerade irgendwo in der Luft. Dennoch, der Geist der Revolution begleitet ihn wie Manitu seine Krieger. Filch benutzt das Trinklokal, das er so häufig aufsucht, heute um die Colletor’s-Bundel zusammenzustellen. Seinen ursprünglichen Plan muss er aufgeben. Er kann nicht die vollständige Sammlung aller drei Editionen des Ausstellungsplanes anbieten, da er nur noch zwei Exemplare der ersten Auflage besitzt. Stattdessen kombiniert die zweite und dritte Auflage mit wahlweise einem Original Ersatzteil (http://beta.thebeggarsopera.org/node/67) (= Collector’s Bundle 1) oder einem Filch Button (=Collector’s – Bundle 2). Alles natürlich in streng limitierter Auflage. Mit den letzten beiden original Ausgaben der Karte verfährt er wie folgt: Er pakt sie zu zwei vollständigen Dreiersets zusammen. Aber nur eine wird er veräußern, denn dieses Bundle gibt es hat die Edition 1 +1. das bedeutet ein Exemplar für den Sammlermarkt plus eines für den Händler (= Dealer’s Edition). Und da das verbleibende Dreier-Bundle damit nun ein Einzelstück geworden ist, kommt einfaches Verkaufen nicht mehr in Frage. Er wird es versteigern. Die Modalitäten sind die folgenden: Bis zum nächsten Freitag um 14:36 (denn diese Uhrzeit kann er auf der Sonnenuhr ganz genau feststellen) können Interessenten bei Ihm ein Gebot abgeben. Da jedoch viele Besucher nur auf der Durchreise sind, ist es auch möglich seine Adresse zusammen mit seinem Gebot zu hinterlegen. Dem Auktionsgewinner wird er die Karteneditionen dann per Post zuschicken und auch das Geld soll per Post zu seinem Briefkasten überwiesen werden.
Die Wiedereröffnung ist ein voller Erfolg. Die Leute sind interessiert, bleiben stehen und fragen nach, was er denn verkaufe. Und sein Stand sieht heute viel professioneller aus, weil er alle Artikel in kleine Gefrierbeutel verpackt hat. Richtig chic! Es sieht sogar so professionell das zwei Beamte vom Ordnungsamt sofort nach seinem Gewerbeschein fragen. Etwas ist merkwürdig an diesen Ordnungshütern. Sie sind zu zweit, aber nur einer spricht. Er habe noch nie etwas von der Skulptur Nummer Sechs gehört. Ist das möglich? Er sei bis gestern im Urlaub gewesen, daher. Acht Wochen Urlaub am Stück? Kann das sein? Und warum sagt der zweite Mann nichts. Einer von ihnen muss von ihm gehört haben. Er war so oft in der Zeitung, sogar auf dem Titelblatt und im Fernsehen. Jedenfalls kündigt der Wortführer an seine Angaben zu überprüfen. Wenn es stimme, dass er eine Skulptur ist dann sei alles »I.O.«. (Das bedeute »In Ordnung« erfährt Filch auf Nachfrage). Ansonsten müsse er einen Gewerbeschein erwerben, sich auf einen Wohnsitz registrieren lassen und dürfe auch nicht mehr Gitarre spielen. Denn mit der Straßenmusik verhält es sich in Münster so: Mann darf Musikmachen. Immerhin! Aber nur mit unverstärkten Instrumenten, unabhängig von der Lautstärke. Und nie länger als eine halbe Stunde. Dann muss der Musiker eine halbe Stunde Pause machen und den Ort wechseln. Ob das wirklich stimmt. Oder wollen sie ihn nur einschüchtern? Denn dese Regelung klingt für Filch zu bizarre.
Als die Beamten bereits ein paar Meter weiter gegangen sind, erkennt Filch, dass noch ein dritter Mann dazugehört. Er trägt Zivilkleidung und ist sehr jung –20, höchstens 21. Er hat sich ein wenig Abseits aufgehalten. Jetzt gesellt er sich zu den beiden und sie reden miteinander und blicken zu ihm herüber. Was führen sie im Schilde? Haben sie vielleicht mitbekommen, dass er gegen die Beseitigung des Fadens protestieren will? Reichte seine kleine Umfrage gestern schon aus um als Verdächtiger geführt zu werden. Dann ist der Greifer heute Morgen gar nicht vor ihm weggefahren. Er hat auf ihn gewartet – er wird überwacht! Die Frage nach dem Gewerbeschein war nur ein Vorwand um mit ihm ins Gespräch zu kommen. Sie wollten herausfinden, ob er bereits begonnen hat Unterschriften zu sammeln. Aber Filch hat dazugelernt. Noch einmal wird ihn der Greifer nicht erwischen. Er wird aufbegehren, gegen das Unrecht in dieser Stadt. Solidarität seinem Freund! Solidarität mit den Unterdrückten! Die Richtung steht fest, jetzt müssen nur noch die Massen mobilisiert werden. Und alle Kunden die heute zu seinem Laden kommen geben ihm Recht. Sie ermutigen ihn sogar. Einem Mann soll er versprechen, dass er einen Protest-Song für den Faden schreiben wird. A-moll muss drin vorkommen und viele verschieden Sprachen. Denn er soll auf dem Schlossplatz singen, wenn der Faden abgehängt wird. Auch die Unterschriften Aktion läuft gut an. Filch erkennt, es gibt Hoffung für Münster. Da sind viele, die wissen was richtig und was falsch ist. Sie brauchen nur jemanden, der ihnen den Mut gibt aufzubegehren. Er wird sich der Gemeinschaft zur Verfügung stellen. Und in vielen Jahren werden sie dann vielleicht sein Konterfei auf T-Shirts drucken. Seine Laune ist prächtig, denn er hat es geschafft seine Wut produktiv zu machen. Und er wird einen Wallinger-Protestfaden zwischen die Sonnenuhr und die Pacht-Laterne Spannen. Einen ganz dünnen aus durchsichtigem Nylon, so dass nur eingeweihte ihn sehen. Er soll solange dort hängen bleiben, bis der echte Faden wieder an seinem Platz. Auch wird er ihn nachts aufhängen müssen, weil es da Dunkel ist. Und einen Komplizen wird er brauchen. Damit einer Wache steht, wenn die Tat vollzogen wird. Denn noch sind sie in der Minderheit. Der Weg ist noch lang, und das Ziel fern.
Die Collector’s-Bundle kommen so gut an, dass er bald den Preis heraufsetzten muss. Das Höchstgebot für das Dreier-Set beträgt am frühen Nachmittag bereits 5 Euro. Es kommt von einem holländischen Künstlerpaar. Um den Preis der Buttons nach oben zu treiben beschließt er auch diese als Editionen zu verkaufen. Da es die zweite Auflage ist, mit einer Serie von 20, nummeriert er sie auf der Rückseite mit der Kennung 2.1 bis 2.20. Auch den Gutschein für die Bäckerei in Paris verkauft er schweren Herzens, aber der Preis, der ihm dafür geboten wird ist unwiderstehlich. Bis beinahe 15:00h bleibt er heute am Spiekerhof, dann macht er sich daran die Unterschriften zu sammeln. Am Freitag wird er sie dem Bürgermeister zuschicken.
Gegen Abend macht er dann eine Pause im Kaffee Metropolis. Die Fadenaufhängung ist für 22:05 angesetzt. Er hat einen Komplizen gefunden. Doch dessen Identität wird er nicht preisgeben. Zwei Dinge hat Filch heute gelernt. Erstens es ist einfacher, die Leute zu vereinen, wenn man sie gegen etwas aufbringt. Denn nicht alle wollen für den Faden unterschreiben. Wenn er aber sagt, es sei gegen das Reitturnier, dann unterschreiben viele. Es ist eigentlich nicht seine Absicht, gegen das Turnier Stimmung zu machen. Filch mag Pferde. Aber in wichtigen Sachen, muss man den Leuten, die noch nicht das richtige Bewusstsein haben eine Brücke bauen, damit sie die Dinge erkennen können. Das Zweite was Filch lernt: Er besitzt die Fähigkeit die Massen zu integrieren. Die Leute vom draußen! Magazin mögen den Faden überhaupt nicht. Da er es aber ist, der dafür kämpft, sind sie solidarisch.
Filch geht an seinem Briefkasten vorbei. Eigentlich nur um sich abzulenken, da es ihm sonst zu lange dauert, bis er endlich seine Tat vollbringen kann. Und was für ein unglaublicher Tag ist heute. Er hat Post bekommen. »Filch« steht auf dem Umschlag und drinnen liegt ein Brief und eine Fahrkarte. Der Text des Briefes lautet:
»Zurück aus der großen, weiten Welt habe ich Ihnen etwas mitgebracht, lieber Herr Filch. Wo sie doch gerade von einer echten reise träumen. Ein zünftiger Hauch von Orient-Express umgibt einen, während man im samt-rotgepolsterten Liegewagen irgendwie auf Dr. Schiwago wartet. Oh, das wäre etwas für Filch diese Fahrt von Budapest nach Rijeka. Etwas zum träumen allerherzlichste Grüße S.«
Oh ja, träumen... Wo Rijeka wohl liegen mag. Morgen will er das herausfinden. Und ob die Menschen dort Kunst mögen? Wer könnte das wissen?
Um 22.05 h genau wie geplant, trifft er sich mit den Verschwören (die Zahl seiner Komplizen hat sich auf zwei erhöht) am Spiekerhof. Es ist ein unglaubliches Gefühl, die Laternen hochzuklettern und ein Zeichen für Gerechtigkeit zu setzten. Auch seine Verbündeten sind stolz. Einen darf er sogar fotografieren, aber nur vermummt. Und als sie in der Pinte, dessen Namen Filch nicht mehr nennt, noch ein Bier auf die gelungen Subversion trinken, singt drinnen ein Mann. Es ist ein Revolutionslied aus Chile, als sei dort den Diktator gestürzt haben.
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