The Beggar’s Diary 17.07.07. - Filch wakes up today absolutely determined to sell his drawings. Whatever it takes! So he lets the people at the info point of the SPM07 golden cage know that whoever whishes to meet him today can find him at the Spiekerhof until 12:00. He warns, however, that visitors shouldn't expect any tricks today. The staff at the info point tell him not to worry and assure him that people will be happy enough to find him, for once, at his designated place.
Despite some trouble caused by the wind, Filch manages to expose his drawings at the Spiekerhof.
Not as a separate exhibition, but as part of his regular jumble-to-be-exchanged-for-other-jumble.
A lady comes up to him crying out: "I saw you on television!"
It is true that some days ago Filch was invited to participate in a talk-show that a local Muenster TV station organized at the Nordgalerie of the Landesmuseum. Since he had not yet seen the show, Filch asked the lady if she enjoyed the program. "You were very good", she tells him.
Filch is flattered and has no reasons to doubt the honesty of the statement. He feels somewhat inclined to give the lady one of his treasures for free when she assures him that she would offer it to the president, a friend of hers that she is supposed to see in the coming days. So he chooses for her, for the president that is, one of the pictures that "Mr. Jamaison" took of The Beggar, one which shows The Beggar in conversation with two Korean ladies.
(Note of the editor: for Mr. Jamaison, please see http://beta.thebeggarsopera.org/node/55)
Next thing he knows he’s talking to a young woman from London (“Like me!” thinks Filch), who presents herself as a curator, whereupon Filch asks her the following question: "What would you prefer to be: poem or poet?" "I'd prefer to be the one who takes care of the necessary conditions for a poet to write a poem." "Yeah, all right, but if you had to choose between those two?" And then she answers.
That is the wonderful thing with theatre: I could tell you about it, but it will never be as if you had been there.
Filch finds out at the Landesmuseum at the end of the day that someone is interested in buying his drawing "The proof and the excuse" for 20 euro! But of course, no problem! He promises to conduct the transaction Thursday evening at the SPM07 golden cage.
Still excited, he takes the bus home, where he discovers a man wearing a t-shirt on which his recently sold drawing is reproduced (well, mirrored). How quickly merchandising catches up with the avant-garde!
Bettlertagebuch 032/120, 17.7.07 (Dienstag)
Am Morgen beschließt Filch, keineswegs aufzugeben, bevor er alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, die ihm zur Verfügung stehen, um zumindest eins seiner Bilder zu verkaufen.
Mit frisch gewaschenem Hals betritt er den Goldenen Käfig und verkündet, dass er ab sofort bis mindestens 14 Uhr am Spiekerhof zu finden sei. Die selbe Nachricht hinterlässt er an der Information im Landesmuseum und fügt - fast schon wieder in alter Form - hinzu, dass man den Besuchern allerdings keine allzu großen Hoffnungen machen sollte, dass er heute so aussähe wie auf den beiden Bildern, die dort hängen. Es wird ihm versichert: "Die Leute sind froh, wenn sie Sie überhaupt zu sehen kriegen."
Es ist immer noch warm, wenn auch etwas kühler als die letzten Tage. Und windiger! Wenn Filch am Spiekerhof in letzter Zeit sein Tuch ausgelegt hat, dann ist es ihm häufig so vorgekommen, als ob er ein Badetuch am Stand ausbreiten würde. Er hat sich dafür entschieden, seine Besucher nicht dadurch in Verlegenheit zu bringen, dass er sie mit nichts als seiner Kunst konfrontiert, sondern legt die Bilder einfach zwischen seine üblichen Tauschwaren. Zunächst passiert gar nichts.
Eine Gruppe junger Radfahrerinnen ist sich nicht sicher, ob sie sich im nähern sollen. Eine fährt zu ihm.
"Where do you come from?", fragt Filch mit aufrichtigem Interesse.
"From Venezuela", antwortet die junge Frau, sieht dann, dass ihre Freundinnen weiter gefahren sind, fährt nur einen kleinen Bogen vor seinem Tuch, und ist dann schon wieder verschwunden, um möglichst rasch wieder bei ihren Mitfahrerinnen zu sein. Filchs Verständnis für diese Art von Folgsamkeit hält sich komplett in Grenzen.
Aber fast noch weniger Verständnis hat er für Menschen, die auf Höhe seines Tuches in seine Richtung niesen und so gut wie gar keinen Respekt hat er vor Leuten, die ihm aufs Brötchen husten. Besonders nicht, wenn es sich dabei um Männer handelt, die größer sind als er.
Dann fliegen ihm "Si je te trouve", "The Beginning of Something" und "Der Fehler (oder: Von den Gefahren der Subtilität)" vom Tuch und bis in die Tischreihen vor einem der beiden Lokale hinein. Die Gäste bewegen sich nicht wirklich, um ihm zu helfen, aber sie deuten durch bedauernde Gesichtsausdrücke und Körperdrehungen von der Hüfte aufwärts ihre Anteilnahme an.
Filch fragt sich, was jetzt noch passieren könnte, aber was als nächstes kommt, ist wirklich nichts, womit er gerechnet hätte:
Eine Frau kommt an sein Tuch und sagt: "Ich kenne sie aus dem Fernsehen!" - Da erst fällt Filch wieder ein, dass er vor einigen Tagen Gast in einer Talkrunde gewesen ist, die von einem Münsteraner Lokalsender in der Nordgalerie des Landesmuseums aufgezeichnet wurde. Filch, der die Sendung noch nicht gesehen hat, möchte natürlich alles wissen. "Sie waren sehr gut", lobt ihn die Frau, an deren Ehrlichkeit er nicht eine Sekunde zweifelt, und leistet damit unbewusst die ideale Vorarbeit, um sich von ihm ein kleines Geschenkt für den Regierungspräsidenten zu erbaggern, mit dem sie bekannt und bei dem sie morgen eingeladen ist. Filch ist begeistert und wählt ein Foto, dass "Monsieur Jamaison" (Spender von Taschentuchpaketen und Filch-Fotografien - aber auch von nicht gerade taufrischem Weihnachtsgebäck) am Sonntag geschossen und ihm gestern am Landesmuseum überreicht hat. Es zeigt Filch, wie er sich mit zwei Koreanerinnen unterhält, gewissermaßen internationale Kontakte pflegt. Kein schlechtes Geschenk für einen Regierungspräsidenten, denkt Filch, und seine Besucherin ist ebenfalls dieser Meinung, war aber vor dieser Spende schon bereit, Filch als einen der Höhepunkte der Ausstellung zu sehen (Audio1). Zum Abschied schenkt sie ihm noch ein aktuelles Exemplar der Zeitschrift "Draussen!" - auf dessen Rückseite er abgebildet ist! Auf der Vorderseite befindet sich die Skulptur, die den "Berberpreis" gewonnen hat.
Ein wenig später wird Filch auf eine junge Frau aufmerksam, die den Standortplan studiert. Er fragt sie sehr vorsichtig, ob sie eine bestimmte Skulptur sucht, und es stellt sich heraus, dass sie aus London kommt! Filch ist sofort sehr angetan von ihr. Nicht nur, weil sie aus London kommt. Es stellt sich heraus, dass sie Kuratorin ist, und sie diskutieren darüber, ob ein Künstler auf seine eigenen Werke eifersüchtig sein kann. Filch zeigt ihr "Die Banalität der Passarelle" und erklärt, dass es dasjenige seiner Bilder ist, das er am meisten liebt. Sie ist sehr nachsichtig mit ihm und dem Bild und bemerkt nur, dass sie vielleicht eines Tages wieder etwas von ihm hören wird. Dann sprechen sie über einen Aphorismus, den Filch einmal aufgeschnappt hat: "If you can´t be the poet, be the poem", und spielen ihn in allen Variationen durch. Filch fragt sie, ob sie eher das Gedicht oder der Dichter wäre, und sie antwortet, sie wäre wahrscheinlich eher jemand, der für die Rahmenbedingungen sorgt, unter denen ein Dichter ein Gedicht schreiben kann. - "Aber wenn es keine Alternative gäbe", radikalisiert Filch den hypothetischen, wenn nicht sogar irrealen Fall: "Would you be the poem or the poet?" Und sie antwortet ihm.
Das ist das Besondere am Theater: alles findet nur genau einmal statt. Wenn man nicht dabei war, hat man es nicht miterlebt.
Zum Mittagessen gibt es eine biologische Falafel, ein Bio-Baguettebrötchen und eine biologische Limonade, Filch bezahlt es mit dem, was man ihm heute an Bargeld in den Becher getan hat. Ein Bild hat jedoch keiner gekauft, obwohl er das Gefühl hatte, dass die Dame, die ihn aus dem Fernsehen kannte, fast "Der gelebte Kompromiss" genommen hätte.
Als er einige Stunden später erschöpf (und immer noch ohne ein Bild verkauft zu haben) ins Landesmuseum kommt, gibt es eine Überraschung, die dem Tag einen unerwarteten Ausklang beschert: Im Internet hat jemand für "Der Beweis und die Ausrede" 20 Euro und ein eigenes Werk geboten! - Filch lässt an dieser Stelle ausrichten, dass er das Angebot annimmt und die Übergabe gerne am Donnerstag Abend am Goldenen Käfig, so früh wie möglich vornehmen würde.
Seine Interpretation der "06" ist auf dem Weg, verkauft zu werden! Filch kann es noch gar nicht glauben, als er nach seiner heutigen Schicht in den Bus steigt, wo er etwas sieht, was er zunächst für eine Sinnestäuschung hält: Im Bus trägt ein Mann ein T-Shirt, das seiner "06", wenn man sie umdreht, in geradezu gespenstischer Weise ähnelt. - So schnell, denkt er, reagiert die Industrie auf künstlerischen Erfolg.
Als er spät abends noch in den Supermarkt geht, stellt er sich vor, was er von den 20 Euro kaufen wird. Er liebt es immer noch, die vollen Regale zu betrachten und macht sogar ein Foto. Und weil er gerade in der richtigen Stimmung ist: noch eins von sich vor dem Regal. Und weil man ihm erzählt hat, dass man in der Kunst ab drei Werken von einer "Reihe" sprechen kann, macht er die Reihe auch noch komplett.
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