English synopsis 30.06.07
Filch feels as good as new today: after all, he is not only being incarnated by a new actor, but he has also, quite by chance, met a young woman who let him in on this amazing rumor: the Landesmuseum has apparently hired a beggar to explore, inform, and give his opinion about the city. The fact of being the protagonist of an urban legend, coupled to not being recognized by the young lady, exhilarates Filch completely. He feels everything is possible: the world is his.
What to do? Full of entrepreneurial drive, Filch imagines a bicycle-tour business, but has no bicycle; he finds an abandoned electric kettle and is busy trying to find a use for it when he notices it has no cable; he wants to re-establish his shop at No.06 and grows angrier and angrier at the SPM07 management for having taken the spot away from him without asking first. The public complained they could not always find him? And so what? Is the public really entitled to see every sculpture? And what if they actually did see him, but could not identify him? Is he responsible for their blindness? Isn't it true that the meeting between a spectator and an artwork is always a matter of luck and coincidence? He feels really homeless now. Where to go?
After meeting a missionary couple, he rejoices in his condition of artwork (he does not have to convince anyone of anything), and he therefore joins one of the official Sculpture tours of SPM07. The tour ends and the guide, a woman, did not mention Sculpture No.06 AT ALL. Offended, The Beggar introduces himself as sculpture No. 06 (no one seems to believe him really), says a few words about himself and his context, and invites the public to his upcoming theatre performance on July 25 (see The Beggar's Evenings). As a closing routine, he asks them all for money for his planned visit to Dokumenta 12. Some of the people are not amused. He manages to collect 6 euro anyway, part of which he spends drinking a cup of coffee. He feels he deserves it. Born again.
Bettlertagebuch (Samstag, 30.06.2007)
Erst gegen 12 Uhr mittags macht er sich auf den Weg zu seiner Arbeitsstätte, die, wie er vergnügt feststellt, in seinem Fall eine Arbeitsstädte – also eher eine Arbeits-Stadt ist. Überhaupt ist es heute die Sprache, die ihn zum nachdenken bewegt. Sicherlich auch deshalb, weil er gerne jemandem sagen möchte, wie neu und unbekannt für ihn heute alles ist. Es liegt nicht nur daran, dass der Regen die Luft sauber gewaschen hat und ganz Münster strahlt, als hätte es sich schon heute für den Sonntag herausgeputzt. Nein. Es ist weil Filch seit heute von einem anderen verkörpert wird. Der neue Darsteller - daran zweifelt er nicht – hat sein bisheriges Treiben natürlich mit größter Aufmerksamkeit verfolgt.
Ein weiterer Grund für seine Heiterkeit ist, dass er gerade mit jemandem gesprochen hat, der ihm von einem Gerücht erzählte. An der Universität, so sagte die junge Frau, würde darüber gesprochen werden, dass das Landesmuseum einen Bettler in der Stadt ausgesetzt habe. Nach so kurzer Zeit schon zu einer gewissen Berühmtheit gelangt zu sein, beflügelt ihn und von nun an glaubt er, Bäume ausreißen zu können.
Aber die Gedanken rasen heute im Kopf. Zu viele Ideen. Als er ein Fahrrad sieht an dem eine Werbetafel hängt, die zu Stadtrundfahrten in Münster einlädt, kommt schon die nächste Geschäfts-Idee: Wenn es ihm gelänge genügend Geld für ein Fahrrad aufzutreiben, könnte er doch einfach den Gepäckträger für Stadtrundfahrten vermieten? Er macht sich sofort auf die Suche nach einem Fahrradladen. Dabei kommt er an einer Wahren Schatztruhe vorbei: In einem Beet hat jemand einen Tintenstrahldrucker, einen riesigen Wandspiegel (leider schon zerbrochen) einen Koffer mit Kinderkleidung (leider schon zu sehr verrottet) und einen Wasserkocher zurückgelassen. Filch hat den Wasserkocher schon in der Hand, als er bemerkt, dass leider das Stromkabel fehlt und sofort fällt ihm ein, dass er ja gar keinen Strom hat. Er lässt ihn also liegen und gibt stattdessen einen Teil seines Kapitals für einen Kaffe aus. Da er ja ohnehin bald reich wird kann er es sich leisten und auf diese Weise kommt er auch zu einem neuen Becher für die Geschäftsgründung. Als er das Wechselgeld entgegen nimmt gibt ihm der Verkäufer einen Cent in die Hand und sagt doch tatsächlich: „Das ist Ihr Glückspfennig. Damit werden sie reich. Und wenn es soweit ist, kommen sie wieder und teilen mit mir“. Filch nimmt sich ganz fest vor seinen zukünftigen Reichtum mit dem freundlichen Mann zu teilen. Übermütig verabschiedet er sich mit den Worten: „Bis Morgen.“
Etwas ratlos, wie er jetzt weitermachen soll, entscheidet er sich Filch zuerst zu seinem alten Punkt Nummer sechs zu gehen. Auch wenn ihn seine neue Berühmtheit besänftigt, kann Filch nicht übersehen, dass ihn das Verschwinden von Punkt Nummer sechs ärgert. Zumal er nicht einmal gefragt wurde. Das Argument der Organisatoren findet er feige. Auch wenn der Punkt Nummer sechs in der Entstehung ein Zufall war – so ist das doch noch lange kein Grund auf das Gemecker einiger unbedeutender Besucher einzugehen. Ist nicht die Entstehung eines jeden Kunstwerkes in gewisser Hinsicht ein Zufall? Und bei der Masse an Kunstwerken, die es zu geben scheint, ist es ein noch größerer Zufall, dass ein bestimmtes Kunstwerk von einer bestimmen Person gesehen wird. „Haben die Besucher der SPM07 das Recht ein angekündigtes Kunstwerk zu sehen?“ schießt es ihm auf einmal durch den Kopf.
Filch geht in die Fußgängerzone und baut seine Sachen auf. Hier ist doch der Ort, an dem man Geschäfte machen kann. Und es scheint so, als ob jeder hier gute Geschäfte mache. Nach einer Weile merkt er, dass er sich genau zwischen dem Stand, eines alten Missionarsehepaars und zwei riesigen, roten, laufenden Einkaufstaschen gesetzt hat, die Werbezettel für S.Oliver verteilen. Eine Weile schaut Filch dem Treiben seiner Standnachbarn amüsiert zu, wie sie die gleiche Arbeit verrichten: Auf Leute zugehen und sie davon Überzeugen dass sie die Zettel mit ihrer Botschaft annehmen. Der wesentliche Unterschied zwischen den Beiden besteht darin, dass die S.Oliver Tüten ihn überhaupt nicht Wahrnehmen, ganz im Gegensatz zur alten Missionarin. Diese kommt bald schon im 20-Minuten-Takt bei ihm vorbei und nötigt ihm die verschiedensten Druckerzeugnisse auf. Am Ende des Tages besitzt Filch gegen seinen Willen, ein Gebetbuch, einen kleinen Taschenkalender, 4 oder 5 (er hat sie nicht genau gezählt) Lesezeichen, mit dem Foto eines Leuchtturms, diverse Flugzettel, mit verschiedenen Bibelsprüchen und einen kleinen Wandkalender mit Fotos aus Israel. Den großen Wandkalender im Format A3 kann er abwehren mit der Bemerkung er habe ja gar keine Wände, nicht aber die Geschichten von der Israelreise des Ehepaares, auf der nach und nach die gesamte Reisegruppe ausgeraubt wurde. Als ihm die Missionarin dann noch einen Zettel mit dem Satz „ Wer an den glaubt der mich gesandt hat kommt nicht vor Gericht“ anbietet, platzt ihm der Kragen. Er weist sie darauf hin, dass er sich nicht erpressen lasse. Und erklärt auf ihren unverständlichen Blick, dass er doch gar nicht wisse, wer diesen jemand gesandt hat und auch nicht wohin er ihn gesandt hat. Und jetzt solle er einem Fremden glauben um nicht verklagt zu werden? Filch findet das geht viel zu weit – das klingt ihm viel zu sehr nach Mafia und Schutzgelderpressung. Und er beginnt daran zu zweifeln ob es überhaupt in Ordnung sei eine Botschaft zu haben.
In diesem Moment ist er sehr froh, dass er ein Kunstwerk ist und (wie sein Freund der Faden) hin und wieder einfach nur da sein kann ohne andere von seinen Überzeugungen Überzeugen zu müssen. (Und Herzen ist er auch dankbar keine Überdimensionale Einkaufstüte zu sein). Doch das soglose Dasein hat ein jähes Ende, als ihn ein englisch sprechender Tourist fragt, was er mache. Und da er in seinen Gedanken gerade bei der Kunst ist antwortet er, dass er Dinge verkaufe und Tausche um zur Dokumenta nach Kassel zu fahren. Er will dem ganzen Kommerz hier einfach mal entkommen. Diese Antwort bringt ihn spontane Sympatie und 50 Cent ein. Und Filch beschließt sich von nun an der Kunst zu widmen und dem Leben der Unternehmers den Rücken zu kehren.
Um mehr von der Kunst zu erfahren schließt er sich am Abend einer Führung durch die SK07 an und erbringt angeregte Gespräche mit verschieden Kunstliebhaber darüber, ob Goethe sich wohl in Münster wohl gefühlt hat. Dieser große Dichter musste nämlich einmal eine Nacht in einem Stuhl schlafen, weil es kein Hotel mehr frei war. Des weiteren belauscht er eine Diskussion mit der Leiterin, darüber, dass es n diesem Jahr viele Kunstwerke mit einer klaren Botschaft gäbe (und Filch beginnt sich heimlich den anderen Skulpturen überlegen zu fühlen da er glaubt keine Botschaft zu haben). Nachdem er 2 Stunden lang die Gruppe begleitet hat, findet er sie sollten auch die Skulptur Nummer Sechs sehen (denn diese hat die Leiterin zu seinem Ärger ausgespart) und stellt sich als dieselbe vor. Er nutzt die Gelegenheit um für die Nächste Veranstaltung im Metropolis zu werben und um eine kleine Spende für seine geplante Fahrt nach Kassel zu bitten. Trotz vieler mürrischer Gesichter (einige Kunstliebhaber fühlen sich offenbar hintergangen) gelingt es ihm 6 Euro einzunehmen! Geschmälert wird diese Einnahme dadurch, dass er gezwungen wird einen Espresso zu trinken wenn er sich auf den Stufen vor dem Museum ausruhen möchte. Aber Filch findet, den hat er sich heute verdient.
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