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Thu 06
Sep 2007

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Posted by dora under The Beggar's Diary
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English synopsis, The Beggar's Diary 06.09.07. – Ever since yesterday, when Filch confessed onstage during The Beggar's Evenings that he suffered from bipolar disorder, that his moods rush from depression to euphoria and back again, his confusion just keeps growing. Yes, he decided to leave today, as he was unable to endure the humiliation of being good old No. 06 while a group of politicians (at least, that’s what he thinks they are) decides his future; nay, his survival. He feels like a condemned man waiting for a last-minute pardon. In case you didn’t know, the jury meets today to decide which sculptures of SP07 will stay and which ones will go. The criteria at the basis of the decisions are simply not worth discussing. But let’s just say that, according to their criteria, the perfect sculpture would be a monolith with rounded edges hovering about fifty centimeters from the ground.
Incapable of competing against a rounded obelisk (a suppository), he has accepted an invitation to visit Documenta, in Kassel. He meets Anna just as he’s hanging up a notice at the Spiekerhof to let the public know about his trip. The expression on her face shows that she’s clearly not amused. She finds the whole thing a stunt, a silly whim that will cost him the little support the people of Muenster were willing to give to his candidacy as desirable sculpture to keep. So that's it: not only humiliation, but also emotional blackmail!
Next thing he knows he’s on a train to Kassel. He earned the money for the journey the day before, by auctioning off the only exemplar left of "The Beggar's Aria No. 1."
He’s immediately surprised as he arrives at Documenta… you have to pay an entrance fee! This is most unlike Muenster, where people can come and go for free. He explains his very special case to the young lady at the entrance and she sends him to the press office. There he’s once again surprised. After explaining briefly who he is and why he is there, he is offered a special guest card for the day with his name on it "Charles Filch"; a card that allows him to visit the whole of the exhibition, and to use public transport for free!
Very friendly people, but Filch does not find what he is looking for in Kassel. He is slightly disappointed by the absolutely overwhelming amount of artworks on display. Many of them, quite bizarrely, look like and feel like carpets. He takes a rest on a sort of three-piece suite that a young man (an artist?) has set up on the sidewalk (exceptionally without carpet, but with sheepskin). When the young man learns that Filch is The Beggar, he immediately invites him to stay overnight.
But Filch opts to take the train back to Muenster. And when, at midnight, he steps out onto the platform at the Muenster Hauptbahnhof, he finds himself for the first time calling Muenster his home.

06.09.2007

Seitdem Filch gestern zum ersten Mal öffentlich über seine bipolare Störung gesprochen hat ist seine Verwirrung nur noch größer geworden. Unbesonnen, kurz bevor seine Show begann, hat er beschlossen nun endgültig sein Schicksal in die Hand zu nehmen. Er will sich nicht der Gunst oder Missgunst irgendwelcher Nordrhein-westfälischen Landespolitikers ausliefern, denen eine mögliche Gefährdungslage eines Kunstwerkes mehr Wert ist als dessen Bedeutsamkeit! Für alle, die gestern nicht anwesend waren: Heute ist der Tag an dem über Existenz und Vernichtung der SPM 07-Kunstwerke entschieden wird. Die Bewertungskriterien sind Haarsträubend und es ist nicht notwendig sie hier noch einmal zu wiederholen. Nur so viel: Folgt man diesen Kriterien kommt man zwangläufig zu einer monolithischen Struktur mit abgerundeten Ecken. Und schon der eindeutig phallische Charakter eines solchen Kunstwerkes verbiet es Filch sich hier zur Wahl zu stellen. Das Schild für seinen Punkt Nummer 06 ist schon geschrieben, und am Spiekerhof aufgehängt, als er Anna noch einmal über den Weg läuft. Sie hat gestern für ihn die Schilder mit den Notizen gehalten. Und obwohl es sie selbst war, die mit einer Tafel, Filchs Abwesenheit angekündigt hatte, will sie ihm heute nicht glauben, dass er wirklich nach Kassel fahren wird. Zu abwegig findet sie den Gedanken und Filch beginnt natürlich sofort an seinem Vorhaben zu zweifeln. Bisher hat er geglaubt, sein Abstecher in die nächste Stadt wäre für ihn vollkommen gefahrlos. Fände er dort Anerkennung, bliebe er einfach dort und wenn es ihm nicht gefallen sollte, könne er ja einfach zurückkommen. Doch an Annas Gesichtsausdruck wird ihm sofort klar, dass das ganze kein Spiel mehr ist. Er ist drauf und dran sich hier in Münster seine restliche Solidarität zu verspielen. Aber hat er eine Wahl? Selbst wenn er eine hätte, er fährt nach Kassel! Und damit Basta!!!!!
The Beggar’s Evening #5 endete mit dem größten Geschäftserfolg seit langen. In einer kleinen Auktion hat er das letzte Exemplar der Beggars Aria No.1 für unglaubliche 20 Euro versteigert. Damit sind seine Spesen schon auf jeden Fall gedeckt. Das Geld für die Fahrkarte hat er sich geliehen. Was macht es 3 Wochen vor dem Tod denn schon aus sich zu verschulden. In seinem Missmut nimmt er sich vor, die Schulden in diesem Leben nicht mehr zu begleichen.
Beim Discount-Bäcker deckt sich Filch mit Proviant für den Tag ein und macht sich auf den Weg zum Bahnhof. Er ist aufgeregt und würde am liebsten jeden einzelnen Schritt an diesem Tag fotografieren. Ihm ist sehr bewusst, dass er gerade Geschichte schreibt. Vielleicht ist es nur ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber für ihn ist es ganz großer. Der größte, den er je gemacht hat. Die Fahrt ist endlos. Nach 20 Minuten beginnt er nicht mehr so sehr von dem Luxus in den Zügen beeindruckt zu sein und von nun an will die Zeit einfach nicht mehr vergehen. Nach gefühlten 14 Tagen Zugfahrt kommt endlich die erlösende Ansage: „In wenigen Minuten erreichen wir Kassel Willhelmshöhe. Wir bedanken uns bei allen Fahrgästen, die hier aussteigen und wünschen noch weiterhin einen guten Tag.“ Das klingt professionell und Filch entscheidet, dass dieser Satz nun unwiederbringlich zum Schlusssatz seiner gelegentlichen Stadtführungen werden wird. Doch aus der ersten Euphorie wird bald Ernüchterung: Es zeichnet sich ein kostspieliger Tag ab. Denn zunächst muss er noch mit der Straßenbahn fahren, was ihn 2,50 kostet. Der nächste Schock ist der Eintrittspreis. Ihn kann man ja in Münster immer kostenlos sehen, daher kam er in seinen entferntesten Gedanken nicht darauf, dass er Eintrittsgeld benötigen würde. Abzüglich seines Proviants und der Straßenbahnfahrkarte bleiben ihm wenig mehr als 11 Euro übrig. Der Eintritt aber kostet unverschämte 18 Euro. Filch sieht nur eine einzige Möglichkeit ein Scheitern dieses Tages zu verhindern. Er muss seinen Kulturbonus spielen lassen. Eine Ermäßigung für befreundetet Kunstwerke gibt es nicht, aber man verweist ihn ans Pressebüro. Dort erzählt er einer sehr freundlichen jungen Frau seine Situation und zu seiner aller größten Verwunderung glaubt sie ihm sofort. Sie lässt sich noch rasch seinen Namen buchstabieren und stellt ihm ohne weitere Umstände einen echten Presseausweis aus. (War sie es, die ihn eingeladen hat?) Was für eine Glorie – sein erster echter Ausweis mit richtigem Namen!!!! Und dieser Ausweis gibt ihm nicht nur freien Eintritt zu allen Ausstellungsteilen, er darf damit auch Straßenbahn fahren. Beinahe bedauert es Filch, dass er nicht noch einen weitern Tag hier bleiben kann, einfach nur zum Tram-fahren. Aber schon jetzt hat sich die Reise gelohnt, beinahe erliegt er der Versuchung sich für den Rest des Tages auf eine Wiese zu legen und seinen neuen Ausweis zu betrachten. Aber es wartet ja noch ganz viel Kunst auf ihn und das macht eben auch ganz viel Arbeit.
Die nun folgende tiefe Frustration ist ausnahmsweise nicht auf seinen wechselhaften Charakter zurückzuführen. In der ersten Ausstellungshalle dominieren vor allem Teppiche –allein zwölf Stück zählt er hier. Dicht gefolgt von überdimensionalen Toastscheiben und Bücherregalen. »Echte Kunst ist Heimatlos« denkt Filch, etwas Überflüssigeres als Teppiche kann er sich da gar nicht vorstellen. Und das soll die Kunst der großen weiten Welt sein? Der Weg zum nächsten Ausstellungs-Ort ist eingesäumt von Marktständen mit allem möglichen esoterischen Kitsch, der hier zu Preisen verkauft wird, den ein guter Händler nicht einmal in London erzielen würde. Auch unterscheiden sich die hier angebotenen Gestände nur unwesentlich von dem was er gerade auf der Dokumenta gesehen hat. Der Panther mir dem Diadem auf der Stirn, an dem er gerade vorbeikommt, gefällt ihm sogar wesentlich besser, als die überdimensionierten und sehr gewollt melancholisch dreinblickenden Filzhunde aus der Ausstellung. Der Panther hat einfach viel mehr Stil! Das erste Kunstwerk, dass bei Filch einen bleibenden Eindruck hinterlässt, ist ein riesiger Heizstrahler, dessen Glühdraht den Schriftzug formt: »Wir suchen überall das unbedingte und finden immer nur die Dinge«. Es ist weniger die Küchenphilosophie des Satzes, die er mag, als vielmehr die ungeheure Wärme, die dieser Text ausstrahlt. Beinahe genug um den gesamten Spiekerhof den Winter über eisfrei zu halten. Wenn es nur eine kleine Chance für ihn gäbe zu überdauern und er einen Wusch frei hätte, dann wünschte er sich dieses Kunstwerk an seinen Punkt Nummer 06. Und gegen seinen Willen beginnt Filch darüber nachzudenken, ob die Auswahlkriterien der Stadt Münster vielleicht doch nicht so falsch sind. Das Jute-Kondom und die dreidimensionale Baustellen-Karikatur, die das deutsche Parteiensystem kritisieren soll wären damit auf jeden fall ausgeschlossen. Ebenso der Pappsoldat aus dem Jahr 1977. Dieser sieht dem Vorsitzenden der bischöflichen Privatmiliz von Münster so verblüffend ähnlich, dass Filch ihn fotografiert. Und während er noch so vor sich hingrübelt steht er auf einmal vor ihm: Der Monolith mit abgerundeten Ecken, nachdem sie in Münster so händeringend suchen. Und als wäre Martin Scorsese selbst anwesend liegt ein Stöckchen in Knochenform bereit und Filch macht sich sofort an die Arbeit, die erste Szene seines Remakes von 2001 zu drehen. Um ein wenig zu entspannen beschließt er an einer Podiumsdiskussion mit dem Titel »Sex, Lies and Contemporary Art Spaces« teizunehmen. Das ganze wird von einer spanischen Kunst-Zeitschrift ausgerichtet und zu seiner größten Verwunderung, findet er Erwähnung, als Beispiel eines Kunstwerkes einer international erfolgreichen spanischen Künstlerin! Wenn sie das in Münster wüssten. Von dem folgenden Gespräch versteht er nicht besonders viel. Was nicht an der Sprache liegt, es wird Englisch gesprochen. Es liegt vielmehr daran, dass es ihm beim besten Willen nicht gelingt die Verbindung zwischen dem spanischen Bürgerkrieg, Willy Brandt, der sozialistischen Bewegung nach Franco, der Verlegung des Bahnhof von Bilbao unter die Erde und der Tatsache, dass spanische Künstler im Ausland unterrepräsentiert sind, herzustellen. Erst als der letzte Redner das Konzept des Guggenheimmuseums vorstellt wird Filch wieder wach. Das Franchise-System dieser Museumskette wird erläutert. Ein Geschäftsmodell, dass eigentlich Filch erfunden haben müsste: Verschiedene Städte, die ihr Image verbessern wollen zahlen dem Guggenheimmuseum in New York 20.000.000 US-$ und darüber hinaus, den Bau eines großen, architektonisch herausragenden Museums. Alle laufenden Kosten werden auch von der lokalen Gemeinde getragen und die Entscheidungen werden in NY getroffen. Filch ist begeistert von so viel Genialität und denkt sofort darüber nach, ob sich dieses Modell auch für seine Pachtlaterne eignen würde. Er könnte zum Beispiel eine Franchise-Pacht-Laterne an die Stadt Kassel verkaufen. Die natürlich für den originalgetreuen Nachbau aufkommen müsste und dafür anschließend 99 Jahre lang Pacht an ihn bezahlt. Doch seine Frage an den Ökonom, ob er sich vorstellen könne, dass dieses Modell auch für Kunstwerke selbst funktionieren würde bleibt leider unverstanden.
Auf dem Weg zum so genannten Aue-Pavillon erschrickt Filch. Er stößt auf Spuren, die ihm klarmachen, dass die dunklen Mächte auch hier im Verborgenen lauern. Es fängt an mit einer verschlüsselten Botschaft auf einem A4-Blatt. Die Bedeutung kann Filch nicht entschlüsseln – sie benutzen hier einen anderen Code - da jedoch eine E-Mail Adresse genannt wird, vermutet er einen terroristischen Hintergrund. Die nächste Botschaft ist bereits deutlicher: »Wir sind unter Euch!« So schamlos operieren sie nicht einmal in Münster und als wollten sie ihn zum Phobiker machen, folgt sofort ein Suchplakat nach einem vermissten Kunstwerk. Ja, das sind andere Verhältnisse hier, in der Metropole Nordhessens. Gleich unter dem Plakat liegt ein Puzzel-Teil. Jede Erläuterung ist hier überflüssig! Filch folgt der Spur und findet noch vier weitere Teile des Puzzels. Ungefähr an der Stelle wo er das Teil Nummer 5 vermutete, liegt der Aue-Pavillon und hier begegnet er endlich den 1001 chinesischen Stühlen, die sich die 1200 Chinesen geteilt haben (und die leider schon wieder in China sind, verständlich wenn 199 ständig stehen müssen). Hierhin sollte er also gelockt werden. Es ist ein erhabenes Gefühl auf einem so alten Möbelstück zu sitzen und sie bieten auch die nötige Entspannung, bevor er sich an Selbst-Zupfenden Gitarren, einem grünen, aufgeblasenem Monolithen, einem Ding, das von vielen Leuten zu ganz vielem gebraucht wurde, einigen Stücken von Lüftungsschächten, sowie einer interaktiven Serie von Interviews mit spanischen Callboys entlang arbeitet. Bei der riesigen Wand aus bestickten Ziegelsteinen ist Filch vollkommen erschöpft. Er hatte sich den Tag ganz anders vorgestellt. Er wollte einer persönlichen Einladung folgen, um der Erniedrigung zu entgehen, nicht mit einem Monolithen konkurrieren zu können. Stattdessen begegnet er hier einer solchen Masse von Kunstwerken, dass er am Ende nicht mehr feststellen kann, ob er sich nur deshalb so uninspiriert fühlt, weil es einfach zu viele sind, oder weil ein Holzradio vor einer orangefarbenen Fensterfront nun eben einfach uninspirierend ist. Enttäuscht kauft er sich ein Eis und mit 3,20 € die eindeutig teuerste Flasche Wasser seines Lebens, bevor er sich auf den Rückweg macht. Und es scheint etwas dran zu sein, an seinem Eindruck, dass die Kassler eine besondere Affinität zu Inneneinrichtungen haben. Ein junger Mann hat einige weitere Möbel in die Fußgängerzone gestellt (diesmal ohne Teppich, dafür aber mit Schafsfell), damit er Werbung für seine bewohnte Installation machen kann. Als er hört, wer Filch ist, will er ihn überzeugen dort zu übernachten. Aber Filch hat genug. Er will nach Hause. Es ist weit nach Mitternacht und die Augen fallen ihm beinahe zu, als er in Münster aus dem Zug steigt.















Fri 07
Sep 2007

Das Feuer der Welt Denen,

Posted by anonymous user

Das Feuer der Welt
Denen, die in dieselben Flüsse hineinsteigen, strömen andere und wieder andere Wasserfluten zu. In dieselben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht, wir sind und wir sind nicht. Alles fließt.
Man kann den gleichen Faden nicht zweimal aufhängen ergo kann der gleiche Filch nicht in die gleiche Stadt zurückkehren, was hat sich verändert?
Home is where your heart is...WELCOME HOME!

Fri 07
Sep 2007

Ich find es faszinierend,

Posted by anonymous user

Ich find es faszinierend, dass eine kleine Grußkarte aus Kassel so schöne Lebens-Literatur zur Folge haben kann ... Chapeau bas ! -A-