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English synopsis, 18 and 19.06.07 (für Deutsch siehe unten)

The Beggar profiles himself as someone who would only allow himself a luxury if he had earned enough money to pay cash for it. And so, luckily for him, this morning he has just enough money to allow himself a lemonade … the main reason why this information is of any interest is that while drinking his lemonade in silence and loneliness at the projekt bar of SPM07, he overheard people asking at the information point where they can find The Beggar. His reputation, apparently, is growing.
But so is his fear. Slowly, one fixed idea enters his head: to secure for himself a regular income, an income that would allow him something as simple as eating when he is hungry. He has a plan now, a carefully designed plan to ensure his survival. He walks to the station with the determination of the converted.
Here is the brilliant idea: to buy at the station tram tickets that are not automatically pre-stamped by the dispenser, so that he can sell them again, for a higher price or, even better, for a lower price, just as long as it takes to find his clientele. Before lunchtime, he has managed to sell a tram ticket with an official value of 1,95 euro for 1,50 euro.
The whole city seems to be inebriated with Art. Everyone is in the mood for it, and this is good for The Beggar's business: he is inundated with donations and presents that he can resell or exchange. Two ladies approach him full of joy at having discovered The Beggar; their joy decreases considerably when The Beggar, faithful to his character, asks them for money (please scroll down for audio - in German).
Just before going home, The Beggar informs himself at the info point of SPM07 about Mark Wallinger's work, a thin thread delimiting the five kilometre long contour of Muenster's city centre. Of course, he does not forget to enquire also about The Beggar, that character everyone is talking about, but so few people seem actually to have seen.

Bettlertagebuch, 18.06.07 (Montag)

Beim Landesmuseum angekommen, beschließt er, eine Erfrischung zu sich zu nehmen. Es ist gar nicht leicht, den richtigen Platz zu finden, denn die Bar ist um diese Zeit so gut wie leer. Ich spiele Filch hier folgendermaßen: als einen Suchenden, der vielleicht (VIELLEICHT) gerade noch genug Geld von seinen gestrigen Tauschaktionen übrig hat, um sich eine Limonade zu kaufen. Das Geld wird dabei münzenweise auf die Theke gezählt. Als sich herausstellt, dass es reicht, werden zumindest drei unterschiedliche Stühle an drei unterschiedlichen Tischen ausprobiert, bevor sich für einen entschieden wird. Die Limonade selbst wird cool, wissend, fast Cowboy-artig ausgetrunken. Leider ist die Bar leer und niemand interessiert sich für Filch, aber was mir an der Situation gefällt: ich habe zu diesem Zeitpunkt bereits gehört, dass an diesem Morgen zahlreiche Touristen versuchen, den "Beggar" zu finden.

Um 12 Uhr habe ich einen Termin mit Mitarbeitern der Zeitschrift DRAUSSEN. Ich werde zu diesem Termin ausnahmsweise nicht in der Rolle erscheinen, sondern als ich selbst und versuchen, Fragen zum Projekt zu beantworten. Doch vorher habe ich noch ein paar Minuten Zeit, Filch durch den Supermarkt spazieren zu lassen, wobei ihm ein Zitat von Goethe einfällt: "Das alles hier ist nur für einen Gott gemacht." Und er ist sich klar, dass er sich alles, worauf er jemals Hunger oder Appetit haben könnte, einfach kaufen könnte, wenn er ein geregeltes Einkommen hätte. Für Filch wird das im übrigen zu einem erklärten Ziel werden: sich irgendwie ein festes Einkommen zu sichern. Erstaunlich findet er, dass im normalen Einkaufsleben die Menschen das Sprechen verlernt zu haben scheinen und lieber einen Umweg gehen, als ihn zu bitten, sie vorbei zu lassen.

Auf der Straße hört Filch das Gespräch zweier Fußgänger mit an, die sich darüber unterhalten, dass die Kunst dieses Mal "verwirrend" sei. Und sie sind sich darüber einig, dass Kunst auch verwirren soll, aber eben nicht nur verwirren. Filch bietet einem von ihnen einen Flyer an, der während der zumindest textlich höflichen Ablehnung nicht einmal eines Blickes gewürdigt wird. Er könnte insistieren, aber irgendwie fühlt er instinktiv, dass ich die Geschichte so besser gebrauchen kann.

Er kann sich auch nicht zu lange mit Ablehnungen aufhalten, schließlich hat er einen Plan. Und ein Mann, der einen Plan hat, hat immerhin einen Plan. So macht sich Filch auf den Weg zum Bahnhof, um zumindest seine Vorbereitung in die Tat umzusetzen. Aber davon vielleicht morgen mehr.

Bettlertagebuch, 19.06.07 (Dienstag)

Am Bahnhof versucht Filch Einzelfahrscheine zu kaufen, die nicht schon entwertet sind, wenn sie aus dem Automaten kommen. Man erklärt ihm, dass solche Fahrkarten am Bahnhof überhaupt nicht mehr verkauft werden. Er könnte es höchstens einmal bei "Mobilé" versuchen.

Zwei junge Frauen erklären ihm, dass in Münster jedes Kind "Mobilé" kennt. Es gibt also noch Hoffnung für seinen Plan, der im Wesentlichen darin besteht, Einzelfahrscheine zu kaufen, um sie weiterzuverkaufen. Zu einem höheren Preis oder - und das empfindet er als das Geniale an seinem Plan - manchmal auch zu einem niedrigeren, um mittelfristig eine Klientel an sich zu binden. Filch, der unberechenbare Verkäufer. Dennoch ist sich vor romantischen Träumereien wie "Eines Tages wird es heißen: Geh zu Filch, der hat so was, Filch hat, was die anderen nicht haben, geh zu Filch, der macht Dir einen guten Preis!" tunlichst in Acht zu nehmen. Das Geld reicht für fünf Fahrkarten zu je 1,95 Euro und eine Quittung.

Das Wetter ist beinah schon mediterran. Bei diesem Wetter fehlt einem der Strand (der "S-träand") nicht so. Filch baut seine Sachen heute besonders ordentlich auf, denn er erwartet zwischen 12 und 14 Uhr Besuch, der aber letztendlich nicht kommen wird. Dennoch ist die Zeit nicht vertan, denn dem abwesenden Besucher verdankt Filch die Erkenntnis, dass alle Welt zu glauben scheint, dass ein Bettler unerschöpflich viel Zeit zur Verfügung hat. Sancta simplicitas. Aber für noch etwas ist das Diensttun an Punkt 06 gut: um in Form zu bleiben, was das Baggern betrifft, über allen Plänen nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Besonders wenn die Pläne sich als Fehlkalkulationen zu erweisen drohen: In Münster hat jeder eine Monatskarte, ein Semesterticket, zwei Autos oder ein Fahrrad, und der ersten Gruppe mit französischen Nachwuchskünstlerinnen gelingt es problemlos, Filch einen Fahrschein für 1,50 Euro abzukaufen. Dafür laden sie Dora Gacía zu ihrer Vernissage nach Paris ein. ("Tell Dora García she´s invited!")

Ein sehr freundlicher Besucher namens Martin hat zufällig ein Bild von seinem heiligen Namensvetter bei sich, dass er Filch schenkt, und die Luxemburgerin Nathálie, die mit ihrer Freundin Vicky beim "Beggar" vorbeischaut, erklärt ihm auf seine Fragen, wie er wohl einen Bestseller schreiben könnte, dass weniger das Thema wichtiger ist als die Art, in der es aufbereitet wird. Im Zweifelsfall sei es sogar besser, gar kein tolles Thema zu haben und statt dessen über etwas eher Konventionelleres zu schreiben. Besser auf jeden Fall als das originellste Thema und einen einschläfernden Stil. Vielleicht sogar besser als das originellste Thema und einen tollen Stil. Darüber wird Filch viel nachdenken und beschließen, in Zukunft gezielte Befragungen durchzuführen.

Doch während seines Tauschhandels ergibt sich höchstens einmal die Gelegenheit, darüber zu diskutieren, welcher Camcorder zur Erstellung des Rohmaterials von Videoinstallationen am besten geeignet ist, ob Nam June Paik in Japan populärer ist als Bill Viola, und ob es sich bei Peter Greenaways provokanter These, Bill Viola sei soviel wert wie zehn Martin Scorseses, nicht doch um reine Polemik handelt. Filch wird schwindelig, als er die These immerhin so ernst nimmt, dass er sich fragt, wie viele Filchs wohl soviel wert wären wie ein Martin Scorsese und wie viele Filchs dann umgerechnet einen Bill Viola ergeben würden.

Die ganze Stadt ist in einem Kunstrausch, der etwas faszinierend Unwirkliches hat. Geschenke und Spenden, die die Erdverbundenheit zurück bringen: z.B. eine Apfelsine, ein Mohn-Brötchen, das Angebot, Filch ein Fischbrötchen zu bringen, und die Erlaubnis, die beiden Videokünstler Kathleen und Demian für ein Foto zu inszenieren, das den Tag nachempfindet, an dem sie sich während einer Vorführung von Videoinstallationen eines anderen Künstlers kennen gelernt haben.

Filch erfährt von einem kanadischen Paar, dass auch in ihrem Land den Indianern Steuerfreiheit gewährt wird, und dass die Faszination der Deutschen für die amerikanischen Ureinwohner in Kanada bekannt ist. Aber noch kann Filch keiner genau sagen, wie sich der Stamm nennt, dessen Angehörige bis jetzt das meiste Geld mit der Tabak, Alkohol und Casinos erwirtschaft haben. (Das konnte bisher niemand sagen.) Es wäre für Filch zumindest nicht uninteressant, einmal mit einem Angehörigen dieses Stammes zu sprechen.

Das Restaurant, für das sich Filch entscheidet und dessen Besuch ihm vor allem durch den Verkauf eines kompletten Satzes Fahrrad-Kunst-Postkarten ermöglicht wird, hat sich auf die Tafel am Eingang "Schnitzelzeit!" geschrieben. Filch wagt nicht zu widersprechen.

Nach dem Mittagessen schaut er nochmal bei Punkt 06 vorbei. Zwei Damen halten eigentlich nach Skulptur Nr. 6 Ausschau, aber als er sich als eben diese zu erkennen gibt, und sie fragt, wie er ihrer Meinung nach zu Geld kommen könnte, sind sie alles andere als begeistert. Das spontane Interview im Anschluss zeichnet er auf (Hören Sie bitte die Audio Dateien).

Es folgen zwei entspanntere Gespräche: eins mit einem sehr aufgeschlossenen Münsteraner am Wohnwagen in Domnähe, das andere im Goldenen Käfig, in dem sich Filch nach dem sagenumwobenen Faden erkundigt, der die Innenstadt von Münster umgibt. Und natürlich vergisst er auch hier nicht, sich nach dem "Beggar" zu erkundigen, über dem man ihm einiges erzählt, den man aber persönlich auch noch nicht gesehen hat.





Wed 20
Jun 2007

What can I say… you have

Posted by anonymous user

What can I say… you have understood the project better than me. Should you stay from 10:00 to 22:00 at point 06, since people seem to love it, to understand it, to appreciate so much? since they seem so glad to find you, The Beggar, a Sculpture in Public Space, and so frustrated when you are not there? should you behave like a good, educated, obedient point 06? Indeed to become a sort of Pierrot that people can visit at point 06 will make you popular but the work will not get better. The Beggar has his moods and cannot be constantly at the disposal of the public; he must be busy with his own form of institutional critic. However, I think we must spend everyday some time at point 06. As a gesture of kindness and because it is a phenomenon, a side of the work I had not foreseen (number 06, remember, was an accident) but No. 06 is indeed delivering a lot of interesting situations.
Thanks! Danke!
Dora