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English synopsis. The Beggar's Diary, 28.07.07. - Filch reads a newspaper article about "The Beggar" with a picture of him. The article is only three weeks old, but the picture doesn’t correspond to him any more. At the Spiekerhof, a lady carrying a whole collection of printed photographs of The Beggar approaches him: "I just had no idea what you would look today", she explains. Filch understands. There follows a fascinating conversation about two identical sculptures of an ape, one of them in Heidelberg, the other in Muenster, and both of them by the sculptor Gernot Rumpf. The sculptures draw their inspiration from ancestral talismans said to protect against demons and hexes. The figure of the ape, because of its resemblance to human figures, supposedly mirrors the spell and sends it back, twice as bad, to its instigator. Filch pictures himself a contemporary version of such an ape.
While they are talking, a man pops up and kindly asks Filch if he can take his photo. Filch agrees, but asks that he deposit a copy of the black and white photos in his mailbox when developed. "What if they are stolen?" asks the man, quite concerned. Filch answers calmly: "Then they’ll have been art for a little while, at least".
Free from his duties as a sculpture at the Spiekerhof, Filch revisits his firm decision to look as much as possible like Danny Ocean, from Ocean’s 13: he sees cutting his hair and dying it grey as his official entrance in the world of delinquency.
But, like most of Filch's decisions, this one too dissolves in water, as it starts to rain.

Bettlertagebuch 28.7.07 (Samstag)

Filch schaut sich ein Foto von sich in der Zeitung an. Die Zeitung ist erst vier Wochen alt, aber das Bild, das er sieht, stimmt schon nicht mehr: Man erkennt darauf deutlich den rechten Ärmel seines Leinenjacketts, an dem einer von ursprünglich drei Knöpfen fehlt. In der Zwischenzeit ist am rechten Ärmel überhaupt nur noch einer der drei Knöpfe, namentlich der mittlere, an seinem Platz. Aber links ist noch alles in Ordnung, so dass es knopftechnisch zwischen den Ärmeln mittlerweile 3:1 steht. Vielleicht ist es tatsächlich Zeit für eine kleine Veränderung, denkt Filch, der sich an diesem Morgen hauptsächlich eine Frage stellt: Wäre nicht gerade jetzt der richtige Zeitpunkt, einfach Geld auszugeben, gerade weil es bei ihm finanziell momentan nicht zum allerbesten steht? Einfach der Situation zu trotzen und kühn in die Zukunft zu investieren?

Am Spiekerhof spricht ihn eine Frau an, die Jahrzehnte in Münster gelebt hat und jetzt in Heidelberg wohnt. Sie hat eine ganze Seite mit ausgedruckten Fotos von ihm dabei und erklärt: "Ich wußte ja nicht, wie Sie heute aussehen würden." Filch glaubt zu wissen, was sie meint. Sie führen ein entspanntes, ausführliches Gespräch, im Zuge dessen sich Filch von Heidelberg und Mannheim erzählen lässt und eins meiner Bücher verkauft. Die Frau mag sonst vor allem Krimis mit regionalem Bezug auf Münster und schaut sie auch gern im Fernsehen, wobei ihr allerdings jeder Fehler sofort auffällt. Beispielsweise wenn in der fiktionalen Realität mit größter Selbstverständlichkeit eine Einbahnstraße in verkehrter Richtung befahren wird. Und sie hat Filch sogar ein Geschenk mitgebracht: eine Postkarte mit einer Skulptur, die man sowohl in Münster als auch in Heidelberg sehen kann: Gernot Rumpfs "Brückenaffe" (1977/86), der sich in Heidelberg an der Alten Brücke und in Münster im Allwetterzoo befindet. Neben drei Bildern vom Münsteraner Pendant ist auch ein Artikel in die Faltkarte eingeklebt:

"Mit dieser Plastik versinnbildlicht der Bildhauer Rumpf (geb. 1941) die mittelalterliche Dämonenabwehr. Affen galten in ihrer Menschenähnlichkeit als ´weise Schelme´. Als solcher hält der Brückenaffe dem Betrachter seine Fehler in einem Spiegel vor. Die Gesichtsmaske, dem gottähnlichen altägyptischen König Echnaton nachempfunden, drückt menschliche Überheblichkeit aus. Krawatte und Ring sprechen für menschliche Eitelkeit. Den ´bösen Blick´wehrt die Plastik mit den Hörnchen ab, die sie mit dem zweiten und fünften Finger der rechten Hand bildet. Das nackte Gesäß ist als ´Abwehrzauber´gegen das Böse anzusehen."

Filch hat zu dieser höchst faszinierenden Skulptur, die ihm direkt sympathisch ist, direkt ein paar Fragen: 1. Soll man beim Blick ins Gesicht des Affen erst denken: Der ist wirklich verdammt überheblich!, dann den Spiegel (in dem man sich nicht richtig spiegeln kann) sehen und sich fragen, ob es nicht vielleicht die eigene Überheblichkeit ist, die sich im Gesicht des Affen spiegelt? - Die Frau findet die Frage nicht uninteressant und rät zur persönlichen Konfrontation mit dem Affen. 2. Was ist ein "weiser Schelm", und glauben Sie, dass bei der Mannschaftsaufstellung für ein Basketballspiel in der Schule die "weisen Schelme" eher zuerst ins Team gewählt werden oder eher als vorletztes? - "Nicht unbedingt zuerst." 3. "Kennen Sie diese Amulette, die den bösen Blick abwehren und noch einen Stein dabei haben, der die abgewehrte Verwünschung (doppelt) zurückschickt?" - Nein. - "Finden Sie doppelt zurück schicken auch ein wenig maßlos?" - Doch, schon. 4. "Wie schnell, meinen Sie, würde ich als öffentliches Ärgernis mit den Behörden in Konflikt kommen, wenn ich bei meiner täglichen Arbeit den selben Trick wie der Affe als "´Abwehrzauber´ gegen das Böse" einsetzen würde?" - "Sofort."

Unter dem kurzen Artikel ist noch ein Bild von dem Emblem, das sich nur in Münster auf der Krawatte des Affen befindet: es zeigt drei Käfige, die Filch in der Zwischenzeit ganz gut kennt.
Noch während sie sich unterhalten, stößt ein Fotograf zu ihnen und bittet darum, Filch fotografieren zu dürfen. Filch lässt sich zu einer spontanen Session in Schwarz-Weiß überreden, und der Mann verspricht, einen Abzug des gelungensten Fotos in Filchs Postkasten zu hinterlegen. Filch findet die Idee grandios. "Aber was, wenn das Bild gestohlen wird", gibt der Fotograf zu bedenken. Filch beruhigt ihn: "Dann ist es Kunst gewesen."

Auf seinem Weg vom Spiekerhof ins FYAL denkt Filch darüber nach, dass das seine letzte Fotosession mit seinem aktuellen Erscheinungsbild gewesen sein könnte. Er hat Danny Ocean nicht vergessen, den coolen Strippenzieher aus Stephen Soderberghs Film "Ocean´s 13". Eine Frisur wie Danny Ocean, denkt er, die wird´s schon richten!

Er hat alle Geschichten darüber gehört, wie zahllose Frauen eine Meg Ryan-Frisur haben wollten, und die meisten Friseure innerlich die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen haben, weil sie wußten, was die Frauen noch nicht wußten, nämlich: dass sie danach einfach nicht Meg Ryan sein würden, sondern nur wer sie waren aber mit Meg Ryans Frisur. Aber mit Filch und Danny Ocean ist das etwas ganz anderes: Er WEISS einfach, dass es keine Enttäuschung geben wird, wenn er auf dem Drehstuhl vor sein Spiegelbild gedreht werden wird. Er WEISS, dass es so sein wird wie in der Kindheit, wo man sich Masken vors Gesicht binden konnte, die auf kariertes Papier aufgemalt und ausgeschnitten waren und die einem doch das Gefühl gaben, der gefährlichste, der ECHTES Tiger der Welt zu sein. Die einzige Befürchtung, die er - neben der, vielleicht heute keinen Termin mehr zu bekommen - hat, ist, dass sein Spiegelbild eine so perfekte Kopie von Danny Ocean sein wird, dass man bei Skulptur Nr. 6 demnächst vielleicht schon von einer "Sorry-Installation" sprechen muss.

Man hat Zeit für ihn. Filch ist sehr aufgeregt und erzählt sofort, was er will, und wie es aussehen soll. Man sagt ihm, er soll sich Zeit nehmen und sich in aller Ruhe eine Frisur in einer Zeitschrift aussuchen. Fahrig blättert er die zahlreichen Magazine auf dem Fensterbrett nach Danny Ocean durch. Endlich, im siebten oder achten: ein nicht besonders vorteilhaftes Foto; aber der Farbton stimmt! Ungeduldig wartet er auf seine Ansprechpartnerin, fragt nach ihr; aber die Friseurin, die er fragt, bringt die Szene ruhig und nicht ohne Bedauern zu ihrem definitiven Abschluss.
Sie erklärt Filch, dass seine Haare für eine derartige Entfärbung denkbar ungeeignet sind. Dass dieser Farbton bei seinen Haaren künstlich aussähe und mit größter Wahrscheinlichkeit einen LILAFARBENEN Farbstich hätte. Filch ist erschüttert. Aber nicht undankbar. Er weiß, dass ihm gerade die Wahrheit gesagt wurde, und er weiß die Ehrlichkeit zu schätzen, mit der es passiert ist.

Vielleicht ist es so gar nicht schlecht, denkt er, als er wieder auf der Straße ist. Wie war das mit der Schreibmaschine? - Plötzlich hatte er einen Hocker gebraucht und dann noch einen Stuhl. Hätte er erstmal mit der Frisur angefangen, hätte bald ein neuer Anzug hergemusst. Und Hemden, die dazu passen. Auf jeden Fall aber neue Schuhe.
Dergestalt sind seine Gedanken, als es anfängt zu regnen.





Sun 29
Jul 2007

When will those photographs

Posted by anonymous user

When will those photographs be developed and placed in the mailbox? Is that mailbox at the usual place? Will the photographs be art before or after they are stolen? Could Filch sign them?