English synopsis, The Beggar's Diary 15.07.07. – This was promised to be the hottest day of the year. Observing his observers, Filch establishes the following taxonomy of "The Beggar's spectator":
Category 1: the far-away admirers, always contemplating him from the safe and wise distance of the other side of the street. They stay there. These spectators mostly appear in groups. They are well-informed, and they keep their hands above their eyes to protect them from the sun. If they have questions, they ask them from the other side of the street.
Category 2: the cautious unbelievers. These spectators mostly appear in pairs, or couples, and they're often riding bikes. Filch likes them and holds his number O6 board even higher to allow them to see him better. They often shift categories, either to Category 1 or to Category 3.
Category 3: the standoffish skeptic. They carry their city maps firmly in their hands and they don't accept any sort of interaction They don't believe anything. They do not want to be disturbed in their contemplation of art, not even by art itself, and even less by the art they are looking for.
Visitors today seem concerned with Filch's sanity. His official possession and interpretation of No. 06 seems to be constantly called into doubt. They consider him a fake, a profiteer, or a harebrained lunatic. One woman is insolent enough to assure him that she is No. 03. When Filch finds out that No. 03 corresponds to the artwork "Drama Queens", he believes her.
Once out of his Spiekerhof location, Filch meets a young Japanese lady who barely speaks any English, but who assures him anyway that her favorite word in English is "Ideal". When Filch confides to her that he is No. 06, he is greeted with the most wholehearted/earnest/enthusiastic scream ever heard in Muenster, and probably in Germany.!!!
On his way back to the Landesmuseum, Filch is confronted with an image of himself holding the No.06 sign and the caption "The Beggar". He can hardly recognize himself, but does not doubt that the information is accurate. He is suddenly overcome by a Borgesian feeling of unreality as he's confronted with an image of himself that he just can't recognize … who are you, Filch?
Bettlertagebuch 15.07.07 (Sonntag)
Es verspricht, der heißeste Tag des bisherigen Jahres zu werden. Filch versucht, im Schatten zu bleiben. Er denkt: nur Anfänger lassen sich auf Wetterextreme ein. Aber der Schatten des Damenoberbekleidungs-Geschäftes hinter ihm zieht sich unbarmherzig zurück, bis schließlich bereits die Hälfte seines Tuchs mit der aktuellen Auslegeware in der gleißenden Mittjuli-Sonne liegt. Es wird keine Stunde mehr dauern, dessen ist sich Filch sicher, und der Spiekerhof wird sich für jedermann in einen gleißenden Schmelztiegel verwandelt haben. Außer vielleicht für die Zuschauer, die sich durch einen Restaurantbesuch Platzkarten für den heutigen 1. Akt der Beggar´s Opera gesichert haben und im Schatten der augenblicklich geradezu unbezahlbaren Sonnenschirme sitzen.
Sie bekommen heute eine ruhige Vorstellung geboten, und viele der Mitspieler stammen aus ihren eigenen Reihen.
Es ist vielleicht an der Zeit, ein wenig über die Kunsttouristen zu sprechen, die nicht mit Filch ins Gespräch kommen:
Kategorie 1 - die bewundernden Aus-der-Ferner-Betrachter. Meistens auf der anderen Straßenseite angesiedelt und dort bleibend. Sie treten gewöhnlich in Gruppen auf, werden informiert, halten sich die Hände als Sonnenschutz über die Augen und sehen wortlos aber verständig zu Filch hinüber. Wenn sie eine Frage haben, so bleibt sie auf der anderen Straßenseite.
Kategorie 2 - die vorsichtigen Ungläubigen. Meist in Paaren auftretend, gerne auch mit Fahrrädern. Filch winkt ihnen mit Vorliebe zu und hält seinen Zettel mit der original "06" hoch. Die Anzahl derer, die auf die andere Straßenseite, und derer, die in Kategorie 1 wechseln, hält sich in etwa die Wage.
Kategorie 3 - die unnahbaren Skeptiker. Alle mit dem neusten Standortplan bewaffnet, lassen sie sich nichts erzählen. Glauben nichts, wollen bitte nicht beim Aufsuchen von Kunst belästigt werden. Auch nicht durch ein Kunstwerk; erst recht nicht durch das Kunstwerk, das sie suchen.
Eine Besucherin eines der Restaurants ihm gegenüber hat einen Sohn in Filchs Alter und fragt sich (und ihn), was jemanden dazu bringen kann, dort zu stehen und die "06" hochzuhalten, aber es entwickelt sich doch noch ein sehr freundliches Gespräch, und als sie und ihre Begleiter aufbrechen, schenkt sie Filch einen Euro.
Eine andere Besucherin sagt Filch, dass sie hinter seinem Hochhalten des Zettels mit der "06" eine Psychose vermutet, und dass er in Deutschland ganz schön Probleme kriegen wird, wenn er so weitermacht.
Die zwei nächsten Besucherinnen können Filch und seinen Waren zunächst ebenfalls nichts abgewinnen. Eine der beiden Damen gibt sich sogar leicht nonchalant als Skulptur Nr. 3 aus. Filch behält sich vor, ihr nicht zu glauben, ihm glauben ja auch viele nicht, dass er Skulptur Nr. 6 ist. Beim Weggehen meint er jedoch, die vermeintliche Nr. 3 halblaut zu ihrer Begleiterin sagen zu hören, dass manche Leute einfach einen völligen Schaden haben. Aber das Erstaunliche: sie kommen wieder! Und das mehr als einmal. Filch hat in der Zwischenzeit im Plan nachgeschlagen und gelesen, dass es sich bei Skulptur Nr. 3 um das Projekt "Drama Queens" handelt. Vielleicht, denkt Filch, war es wirklich Nr. 3.
Als nächstes verkauft Filch ein Stück Straßenkreide für zwei Euro in die Normandie und einen Kugelschreiber zum gleichen Preis nach Nürnberg. Die Besucher aus Nürnberg und Spanien sind sehr aufgeschlossen und überaus freundlich. Sie möchten Filch sogar ein Eis bringen. Doch dann kehrt die mutmaßliche Skulptur Nr. 3 zurück und beginnt sich in plötzlichem Sinneswandel für die kleine indische Schatulle mit dem "Auge Dalís" zu interessieren.
Filch will 15 Euro, Nr. 3 und Begleitung wollen 10 geben. Doch dann passiert es: die Dreiergruppe aus Nürnberg und Spanien bietet 20 Euro. Filch deutet nur kurz das Finale einer Versteigerung an, bevor er den Zuschlag gibt. Die "Drama Queens" lassen es über sich ergehen und sich später ein wenig fürs mutmaßliche Preis-in-die-Höhe-treiben feiern. Aber Filch ist überzeugt: das "Auge Dalís" ist in den richtigen Händen, und er macht ein letztes Foto, überzeugt davon, dass Muschel und Schatulle erst jetzt zum wirklichen Kunstwerk geworden sind, gewissermaßen vollendet durch Erwerbung.
Filch fühlt sich gut, weiß aber, dass noch länger in der Sonne zu stehen nicht einmal für weitere 20 Euro in Frage käme.
Manchmal klappen Übergänge nahtlos: Auf der Treppe zum Dom trifft Filch eine junge Japanerin, die gern zum Landesmuseum möchte. Da er selbst genau dorthin will, bietet er an, sie zu begleiten. Sie selbst hält keine großen Stücke auf ihr Englisch, aber Filch findet es großartig, wenn man bedenkt, dass sie erst seit vier Tagen in Europa ist, und morgen bereits zurück nach Japan fliegen möchte. Er fragt sie, was ihr Lieblingswort auf Englisch ist, und sie sagt: "ideal."
Als sie vor dem goldenen Käfig stehen, erklärt er ihr, dass er Nr. 6 ist. Als Reaktion darauf hört er den heftigsten und längsten Ausruf goutierenden Erstaunens seit er Münsteraner Boden betreten hat. Er dauert sogar solange, dass währenddessen Zeit für mehr als nur einen einzigen Blickwechsel ist. Filch ist beeindruckt und sehr geschmeichelt.
Ein längerer Spaziergang am Aasee entlang soll eigentlich zum Mühlenhof führen, den Filch besonders mag. Vielleicht weil er ihn an Zeiten erinnert, von denen er glaubt, dass sie weniger kompliziert waren, als die heutige. Aber er ist müde und setzt sich für einen Moment ins Gras am Ufer. Das Wasser sieht sehr einladend aus, aber Filch hat sich natürlich schon tausendmal erzählen lassen, dass der Schein trügt, und das Wasser ungenießbar ist.
Auf dem Weg zurück in die Stadt macht er beim "Gasolin" Halt, um sich vielleicht doch ein Stück Kuchen oder zumindest eine "biologische Limonade" zu gönnen - und trifft die Leiterin der lustigen Gruppe vom gestrigen Abend!
Sie ist in Begleitung einer Japanerin, die bei sich zu Hause Dozentin für Philosophie ist. Man plaudert ein wenig über Schelling, Hegel und Fichte, und Filch bringt heraus, dass Heidegger in Japan beliebter zu sein scheint als Sartre. Bei Filchs schätzungsweise zwanzigster Frage sagt die Philosophiedozentin etwas, was ihm bisher in Münster noch keiner gesagt hat: "Sie sind sehr neugierig."
Filch fasst das schon aus rein pragmatischen Gründen als Kompliment auf, und kommt auf den japanischen Regisseur Akira Kurosawa zu sprechen, der auf dem Höhepunkt seines Ruhmes in den USA und Europa behauptet hat, er habe alles, was er könne, von John Ford gelernt. Filch beschließt, das auf dem Höhepunkt seines Ruhms ebenfalls zu behaupten, und versucht sich dann vorzustellen, ob Kurosawa ihm dieses Begging übel nehmen würde. Er kann sich kaum beruhigen und steigert sich in eine Szene hinein, in der er sich vorstellt, wie Kurosawa ihn entschieden darauf hinweist, dass ER das urprünglich gesagt habe. Filch lässt sich "Ich habe das gesagt!" auf Japanisch übersetzen. Es klingt für ihn wie: "Watashi-wa i-imashta!" Und der Klang dieses Satzes selbst bringt ihn auf den Gedanken, dass Kurosawa vielleicht eine Szene daraus machen würde, in der er sich von seinem Lieblingsschauspieler Mifune Toshiro spielen lassen würde. Von der Philosophiedozentin angeleitet, beginnt Filch, zunächst die Aussprache und dann Mifunes Tonfall zu üben. Dann hat er eine Idee: Warum nicht gleich selbst den Film machen? Filch legt sich das Tuch um, auf dem er sonst seine Waren ausbreitet, und gibt Mifune, der Kurosawa gibt, während er selbst die Handykamera führt. Der 1. Take überzeugt die Japanerin schon fast. Aber der 2. IST ES! Filch ist jetzt völlig in der Materie und beschließt, im Gegenschuss auch sich selbst zu spielen, wie er das Begging des Satzes, er habe alles, was er könne, von John Ford gelernt, wortlos aber nicht ohne Verlegenheit einräumt. Und auch hier ist es erstaunlicherweise der 2. Take, den die Japanerin durchgehen lässt. Den ersten findet sie overacted. Filch ist es halt eher gewohnt, auf einer Bühne aufzutreten, die die Größe der Stadt Münster hat.
Als er an einem Seiteneingang des Landesmuseums vorbeikommt, sieht er plötzlich ein Plakat mit einem jungen Mann darauf, der den Zettel mit der Nummer "06" trägt. Darüber steht: "The Beggar". Er erkennt sich selbst kaum wieder, aber er muss es wohl sein. Man kann ja auch nicht immer gleich aussehen, denkt er, aber das Plakat gibt ihm schon zu denken. Vielleicht handelt es sich um ein stilisiertes Porträt von ihm.
Auf einer letzten Runde über die Bogenstraße sieht er plötzlich, mit bunter Straßenkreide geschrieben, das Wort "TEUER!" auf dem Boden stehen. Vielleicht, denkt Filch, ist er einfach nicht der einzige, der die Dinge so sieht, wie sie sind.
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