English synopsis, Beggar's diary 20.06.07 .- scroll down for videos. - für Deutsch siehe unten
Today, without any special intervention from Filch The Beggar, Drama happened. To start with, a young lady picked The Beggar from among the city crowd -as he walked, slightly slower than the rest, past her - to be questioned for a survey being conducted by a certain statistical company about God knows what. The Beggar hoped to learn something from the professional inquirer and to earn some money while he was at it (he was promised 5 euro). But after being questioned for an hour and half, they refused to pay him because he could not give them an invoice (under which name could he do that?). They gave him a bag of candies instead. Thoroughly humiliated, The Beggar walked back to No. 06, where he decided to sell the sweets to passers-by and art lovers until he got his promised, and then denied, 5 euro.
But there is more than that: armed with his notice "Candies for sale, negotiable prices", written in pink, he wanted to tell the whole world, everyone passing through Muenster today, citizens from Japan and Australia, that The Beggar was denied what belonged to him, that he was cheated, undermined, fooled.
By the end of the day he had collected 15 euro, he had been filmed by three videoartists, and he hadn’t sold a single candy. Never mind: on his way to the station, he offered them to his fellow citizens for free. But not even then did people accept the candies (were they afraid they’d be poisoned? or did they believe there were drugs inside?), which naturally made The Beggar feel even more depressed. Only the memory of a conversation he had earlier in the day with a lady from New York could lift his spirits:
Filch The Beggar: If I ever come to New York, if I ever make it there, I will name myself after a building - like Gracie Mansion! Actually, I´ll call myself "Radio City Music Hall".
Lady from New York: If you call yourself "Radio City Music Hall" you’ll be very popular in New York.
Bettlertagebuch 20.6.07 (Mittwoch)
Am heutigen Tag steht (fast) ohne Filchs Verschulden das Drama im Vordergrund. Auf dem Weg zum Landesmuseum wird er selbst um etwas gebeten: seine Meinung. Er wird für eine Meinungsumfrage ausgesucht. Die Befragung beginnt mit einer kleinen Irritation, da Filch leider keine Postleitzahl angeben kann. Die Tatsache, dass er offiziell noch gar nicht in Münster wohnt ("Ich bin aber oft am Landesmuseum!") disqualifiziert ihn für die Umfrage. Aber es gibt doch noch eine Chance, an die in Aussicht gestellten 5 Euro zu kommen: "Das dauert zwar etwas länger und gibt leider auch nicht mehr Geld."
Als die (anonyme) Befragung beendet ist, scheitert seine Auszahlung daran, dass Filch sich weigert, eine Quittung zu unterschreiben. Statt dessen wird ihm eine Tüte Bonbons geschenkt. Filchs Zorn ist ein Treppenwitz. Denn Filchs Meinung ist nicht umsonst. Eine Tüte Bonbons für genormte 50 Minuten (etwa 90 Filchminuten) sind zu wenig.
Punkt 06 ist Filchs Instanz. Manchmal Zuschauerraum und manchmal Bühne. Und in der Aufregung der letzten Tage hat er sich manchmal auch zu einem Ort der kulturellen Unmittelbarkeit entwickelt.
Ich habe Filch ein Schild besorgt, das schon während seines Gangs zum Spiekerhof für Aufsehen sorgt; mit rosafarbenem Textmarker steht auf weißen Karton geschrieben: "Bonbons zu verkaufen - Verhandlungsbasis". Filch hat sich geschworen, kein einziges davon zu essen, bis er so viele davon verkauft hat, dass er seine 5 Euro hat. Aus Rache. Es ist 13.15 Uhr. Und von Melbourne bis New York City soll man wissen, wie man sich geweigert hat, ihm seine 5 Euro auszubezahlen, weil er sich geweigert hat, eine Quittung zu unterschreiben (es ist für ihn natürlich viel mehr das, als dass ich mich geweigert habe, eine falsche Unterschrift zu leisten), ihn, den Beschenkten, den Bedachten, den respektierten Ersucher, den "Beggar".
Während sich langsam die Sonne den Weg durch die Wolken bahnt, ergeben sich ein paar dramatische Szenen: auf der gegenüberliegenden Straßenseite erklärt eine Besucherin, die sich kurz zuvor mit ihm unterhalten hat und der er das erste Marzipan seines Jahres verdankt, anderen Kunsttouristen, die sich nicht zu trauen scheinen, persönlich mit ihm zu sprechen, was es mit Skulptur Nr. 6 auf sich hat. Eine andere Besucherin, der Filch ein Bonbon verkauft hat, verliert eine Zahnkrone. Ein junger Mann, der sich überhaupt nicht für Filchs Bonbons interessiert aber erstaunlich ruhig bleibt, als er ihm sie in einer ausgesprochen stressigen Situation zum zweiten Mal anbietet, hat sich mit seinem Wagen in die Fußgängerzone verirrt und versucht, wieder in den normalen Straßenverkehr einzutauchen. Seinem Wagen ist die Zufahrt zum Spiekerhof allerdings mit Pfählen versperrt. Filch beobachtet die Szene aus den Augenwinkeln mit professionellem Interesse, denn er kann sich vorstellen, dass der Fahrer einiges an "Beggar"-Qualitäten wird aufbringen müssen, um jemanden dazu zu bringen, einen der Pfähle für ihn zu entfernen.
Als er sich später mit einem Video-Installationskünstler aus Japan unterhält, der gerade aus Venedig kommt, wo er eine seiner Installationen präsentiert hat, wird es wieder lebendiger an Punkt 06. Später ärgert sich Filch: ihm wird fast schlecht bei dem Gedanken, dass er die Chance ungenutzt gelassen hat, sich von einem Video-Künstler filmen zu lassen. Denn auch das ist Filch, der "Beggar": er muss versuchen zu kriegen, was er kriegen kann, muss machen, was geht. - Er hat die Gelegenheit verpasst. Esprit d´escalier! - Bereits zum zweiten Mal an diesem Tag. Ist Filch nicht in Form? Oder bedeutet seine Unzufriedenheit, dass er neue Möglichkeiten zu sehen beginnt?
Schließlich gibt ihm das Schicksal eine zweite Chance - und dann noch eine dritte! Zwei miteinander befreundeten Video-Künstler aus Hong Kong und Beijing drehen zwei kurze Filme über Filchs Unruhe, die sich im Tanz offenbart.
Gegen 17.30 Uhr hat Filch 15 Euro eingenommen. Das sind etwa vier Euro in der Stunde, denkt er. Und auf dem Weg zum Bahnhof versucht er, die restlichen Bonbons zu verschenken. Was ihn wundert: dieses Vorhaben erweist sich als noch schwieriger, als sie zu verkaufen. Er ist verwirrt, aber die Erinnerung an einen Moment voll dessen, was er für britischen Humor hält, richtet ihn wieder auf.
Filch: If I ever come to New York, if I ever make it there, I will call myself after a building - like Gracie Mansion! But I´ll call myself "Radio City Music Hall".
Lady from New York: If you call yourself "Radio City Music Hall" you´ll be very popular in New York.
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