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Sun 02
Sep 2007

Filch meets The Church

Posted by dora under The Beggar's Diary
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English synopsis, The Beggar's Diary, 01.09.07.- Today, in a series of big public events taking place in the city of Muenster, Filch meets the movement for peace (it has deep root in the first Communist movement of the 20s, always very emotive for a Brechtian character). And Filch meets The Church. A new bishop is being ordained in Muenster, and on that account the market has to close down earlier today. There could be many, or no reasons for this, but Filch imagines it is just to allow the new bishop to parade under his red, Episcopal canopy. The Beggar spends a long time observing a curious character in awe, apparently a sentinel at the door of the church. He looks very pompous, both in military and ecclesiastic terms. Upon further inquiry and conversation, Filch finds out that the guard is a member, indeed the representative, of an ecclesiastical shooting club which originated in an ancient Episcopal militia which had an European congress in the city of Ystad. That is why he was invited to the consecration of the new bishop. Simply stunning. And while attending the said consecration inside the temple, a sentence creeps into his mind: "the difference between reality and fiction is that fiction has to make sense."

01.09.2007

Ein Chor lenkt Filch von dem direkten Weg zum Spiekerhof ab. Vor dem Friedenssaal – jener, der voll mit Waffen gespickt ist – steht eine Gruppe Demonstranten, die sich für Frieden einsetzt. Keinen bestimmten, nur so für Frieden allgemein und gegen Neonazis auch noch. Der Chor gefällt Filch, der Rest der Veranstaltung ist irgendwie ein wenig grotesk – wenn auch bewundernswert in dem Engagement. Besonders ein Mann mit seiner „Ordner“ Binde, sieht beinahe so aus, als sei er aus der Kommunistenbewegung der 20er Jahre übrig geblieben. Aber zu ordnen gibt es hier nichts.
Einige Meter weiter: Ein Mann mit dem, der russische Lieder singt und mit seinen Gedanken weit weg in einer anderen Zeit zu sein scheint. Vor ihm steht eine sehr alte Frau. Gestützt auf ihren Gehwagen, hat sie ein schelmisches Lächeln auf dem Gesicht. Sie wippt ein wenig mit dem Fuß und würde wohl am liebsten lostanzen, wenn sie könnte. Die beiden gucken sich in die Augen und teilen ein stilles Einverständnis drüber, was diese Lieder bedeuten, oder besser wie die Welt zu einer Zeit wahr, von der die Jungen Leute (und das sind in diesem Fall wohl alle unter 70) nichts wissen. Die alte Frau kennt die Lieder und summt sie mit. Ist sie in Gedanken gerade wieder 20 und auf einer Tanzveranstaltung, wo sie darauf wart von einem bestimmten jungen Mann aufgefordert zu werden? Und weil er sich immer noch nicht traut, nimmt sie eine Zigarette in die Hand und lässt sich von einem anderen Verehrer Feuer geben um Aufmerksamkeit (und sicher auch ein wenig Eifersucht) zu erregen. Doch Filchs gedanklicher Ausflug in die Vergangenheit wird von einem klingelnden Handy unterbrochen. Und davon, dass der Akkordeonspieler sein Spiel unterbricht und telefoniert. »Das ist ein guter Musiker, den hätten sie gestern spielen lassen sollen« ruft die Dame in die Pause hinein.
Am Spiekerhof erfährt Filch, dass heute ein neuer Bischof geweiht werden wird. Deshalb muss der Markt auch früher schließen. Warum das so ist kann ihm niemand erklären, schließlich ist der Markt ja nicht in der Kirche und er macht auch keinen besonderen Lärm. Wie sich herausstellt muss der Markt vom Marktplatz gehen, damit der neue Bischof durch ein Fahnenspalier gehen kann. Filch kann sich des Gedankens nicht ganz erwehren, darin eine pure Machtdemonstration zu sehen. Aber er will nicht ungerecht sein und gibt dem Ganzen eine Chance. Er will sich die Weihe angucken gehen. Doch schon am Eingang begegnet ihm eine weitere Kuriosität. Es ist ein Mann in einer uniformartigen Tracht, mit goldenen Schulterklappen und einer Menge Abzeichen, die Filch sowohl kirchlich als auch sehr militärisch anmuten. Er steht wie eine Wache am Tor und hat auch ganz die Körperhaltung eines Torwächters. Der Mann verwirrt Filch sehr. Doch nach ca. 15 Minuten hat er so viel verstanden: Er ist kein Wächter sondern ein Ehrengast, eingeladen weil er verschiedenen Bruderschaften vorsteht. Doch er ist kein Mönch, sondern Schütze. Und als solcher, war er im letzten Jahr in Ystadt. (Ja, Kommissar Wallander kennt er auch, aber in Ystad sind die Krimis vollkommen unbekannt.) Dort war ein Europakongress dieser Bruderschaften, von denen bist zum Schluss nicht ganz klar wird, was sie denn eigentlich machen, außer Europakongresse und ihre Vorsitzenden zur Bischofsweihe einladen lassen. Auf jeden Fall ist diese Vereinigung eine kirchliche. Sie entstand vor vielen Jahren (im Mittelalter oder so), als es in Münster bewaffnete Gruppen gab, von denen jede einen bestimmten Bezirk im Auftrag der Kirche verteidigte. »Sie sind also eine Privatmiliz des Bischofs?« fragt Filch. Und ihm wird so langsam bewusst, warum der Mann so herumdruckst. Denn sein Gesicht hellt sich auf, bei dieser Frage und scheint voller Stolz »Ja« zu sagen. Doch die gesprochene Antwort fällt bescheidener aus: »Na eher ein Schützenverein«. Und er versichert gleich darauf, dass sie nur zum Sport schießen. Ein kirchlicher Schützenverein, der aus einer ehemaligen Bischofmiliz hervorgegangen ist und in Ystad seinen Europakongress abhält und dafür als Ehrengast zur Bischofsweihe eingeladen wird. Filch ist fassungslos über diese Entdeckung. Und ein Satz, den er vor einiger Zeit gehört hat kommt ihm in den Sinn: »Der wesentliche Unterschied zwischen Fiktion und Realität ist, dass die Realität keinen Sinn ergeben müsse«. Zwei Erklärungen scheinen Filch plausibel: Entweder ist er gerade auf einen geheimem Vertreter der Templer oder irgendeiner anderen Freimaurergruppe gestoßen, oder dieser Mann ist Henning Mankell selbst, der gerade Feldforschung für einen neuen Krimi betreibt. Der Mann gibt sich indes sehr misstrauisch und will sich nicht fotografieren lassen. Und das spricht eher für die Templer-Hypothese.
Der Dom ist übervoll und es dauert eine Zeit, bis es losgeht. Tiefe Orgeltöne dröhnen wie ein entferntes Gewitter und steigern sich langsam zu immer dissonanteren Akkorden, während eine ganze Prozession von Fahnenträgern einmarschiert. Als dass schließlich der Bischof erscheint, steigern sich die Klänge zu einer Fanfare. Kein Zweifel, die Inszenierung beeindruckt. So sehr, dass die Frau in dem rotem Mantel zu weinen beginnt. (aus Höflichkeit fotografiert sie Filch nur von hinten). Überhaupt fühlt er sich zunehmend unwohl. Das Ganze Spektakel sieht aus wie Ritterspiel und die Leute scheinen das überhaupt nicht zu bemerken. Nur ein kleiner Junge hat sich ein selbst gemachtes Holzschwert umgebunden als wolle er den Großen sagen: Nehmt eure Spiele nicht so ernst! Das scheint auch die Steintafel zu sagen, die auf dem weg zum Ausgang hängt: