English synopsis, The Beggar's Diary, 24.08.07 .- After declaring himself student of Physics and passionately describing his musical career to the staff at the Fyal, Filch walks one more day to his official SPM07 spot, the Spiekerhof. There, he starts walking around in circles, in an attempt at entertaining himself. A lady riding a bicycle asks him if he is Charles Filch. Yes, I am, Charles Filch replies. The lady is a TV journalist making a documentary about the horse tournament – the horse tournament that is the cause for the partial dismantling of The Thread in the area around The Castle. She has heard about his personal crusade against the tournament and she would like to include his dissident voice in her report.
Filch The Beggar explains to her that, in his opinion, you just can’t pull down The Thread like that. The same Thread cannot be hanged twice, just as the same man cannot enter the same river twice. The journalist, impressed with this reference to Heraclitus, invites Filch to walk with her to The Castle for the horse tournament. Filch leaves a little note at the Spiekerhof and he’s off.
Very soon, Filch finds himself among enemy ranks. He had expected to feel fury, scorn, revolt, contempt; but he is just bored among the horse people. Besides, no one among them has ever heard of The Thread. He decides to leave.
He finds some consolation for so much outdoor conventionalism in the person of one of the guardian ladies (guardian angels!) of SPM07. She explains to him what "Fyal" really stands for in German, and of course Filch is there with his camera to record it. Then she asks him, not without emotion, where he will be after 30 September. He replies, matter-of-factly: "I'll just go back to the book I came from, The Beggar's Opera.”
Bettlertagebuch 24.08.07 (Freitag)
Kurz bevor er das "fyal" erreicht hat, wird Filch nach dem Weg zur Aegidiistraße gefragt. Da sie ganz in der Nähe ist, kann er seiner Lieblingsform der Wegbeschreibung nachgehen: der persönlichen Begleitung. Die junge Frau, die in einem Café auf der Aegidiistraße verabredet ist, ist angehende Latein- und Germanistikstudentin. Und sie hält auch Filch für einen Studenten! Er wehrt zwar mehr oder weniger bescheiden ab, möchte aber doch gerne wissen, als Student welcher Fachrichtung sie ihn sieht.
"Als Physiker", antwortet sie ihm.
Der Wirt im "fyal" findet das Plakat mit der Ankündigung zum letzten "Beggar´s Evening" am vergangenen Mittwoch so gut, dass er es noch hängen lassen möchte und erklärt, dass er sich gedacht hat, dass daneben der richtige Platz für den gerahmten Rap sein könnte. Filch findet die Idee großartig und erzählt von der gestrigen "Recording-Session", bei der Made Nandu und er versucht haben, den Song auch mit Blick auf seine Tanzbarkeit im "fyal" hin abzumischen, und dass hier eine CD vorbeigebracht würde, sobald das Cover fertig wäre. Der Wirt lacht und sagt: "Du bist ja total verrückt". Aber die Art, wie er es sagt, gibt Filch das Gefühl, dass das nicht das Schlimmste ist, was man über jemanden sagen kann.
Freitage am Spiekerhof, findet Filch, sind für gewöhnlich eine Miniatur der Woche. Und da am heutigen "Montag vormittag" auch eher wenig los ist, beschließt er, eine "kleine Spiekerhofrunde" zu gehen.
Am gefühlten "Dienstag morgen" - und er steht wirklich nur neben der Laterne beziehungsweise dem "Flyerbaum" an Punkt "06" - fragt ihn eine Frau mit Fahrrad, ob er Skulptur Nr. 6 ist. Warum leugnen, denkt FIlch. Das Fahrrad kann man nicht einfach so abstellen und Filch "gestattet" ihr - völlig unkompliziert wie er heute ist - die Verwendung der Laterne.
Die Frau sagt, sie habe an der Information von ihm und seinem Protest gegen das Abhängen des Fadens vorm Schloss gehört, und da sie Redakteurin sei und über das Reitturnier berichte, sei sie eigens hierher gekommen, um ihn zu treffen.
Filch zeigt ihr den Protestfaden und spielt ihr den Audio-Mitschnitt der spontanen Protestaktion vom vergangenen Wochenende vor. Sie sagt, dass ihr die Idee gekommen sei, für ihren morgigen Beitrag auch Stimmen einzufangen, die dem Turnier kritisch gegenüberstünden, und da es bekannt sei, dass er kein Befürworter der jüngst geschehenen Fadenabhängung gewesen sei, wäre sie daran interessiert, vielleicht sogar vor Ort mit ihm zu sprechen.
Filch erklärt, dass man seiner Meinung nach genau so wenig, wie man zweimal in den selben Fluss steigen, "zweimal den selben Faden aufhängen" könnte. Für die Redakteurin scheint das alles sehr einleuchtend und nachvollziehbar zu sein. Sie möchte jetzt zum Schloss, und äußert sich dahingehend, dass sie es schön fände, wenn er sie begleiten würde.
Filchs Schicht am Spiekerhof ist zwar erst zur Hälfte vorüber, aber unter den gegebenen Umständen findet er eine vorzeitige Beendigung seines Aufenthalts an Punkt "06" mehr als angebracht. Der Zettel, den er zwischen die beiden Schaufenster des Damen-Oberbekleidungs-Geschäfts hängt, deutet die Unumgänglichkeit seiner Entscheidung an: "MUSS DRINGEND ZUM SCHLOSS! Ch. FIlch "06" / 24. August 2007 / 11.55 Uhr / P.S. FINGER WEG VOM FADEN!"
Während sie den Spiekerhof hinuntergehen, erklärt die Redakteurin, dass sie ihn gerne auf dem Gepäckträger mitnehmen würde - aber ihr Fahrrad hat gar keinen. Filch bietet an, das Fahrrad selbst zu fahren und sie auf der Lenkstange mitzunehmen, was sie zu seiner eigenen Überraschung eine gute Idee findet.
Sie kommen schnell vorwärts, und sie erklärt ihm, dass sie es toll findet, dass er machen kann, was er will, und er erzählt ihr, dass er vor allem deswegen ein Star werden möchte, um sich für das einzusetzen, was er liebt.
Am Schloss angekommen, fassen sie einen Plan: Die Redakteurin wird ohne Probleme in die Turf-Sperrzone hineinkommen und soll einfach sagen, dass er ein ihr untergebener Mitarbeiter wäre. Filch fühlt sich sofort in seine Rolle ein und kriegt ein Akkreditierung-Armband angelegt.
Dann ist er gewissermaßen im Lager des Widersachers. Alle sind sehr freundlich. Er bekommt Schinken- und Lachshäppchen angeboten und sogar die improvisierten sanitären Anlagen überschreiten Filchs Erwartungen.
Er wird zu diesem Zeitpunkt von der Redakteurin längst "Charlie" genannt und darf natürlich mit ins Informationszelt. Filch fragt, ob er eins der klein gefalteten Regencapes mitnehmen könne, die an der Informationstheke einfach ausliegen. Das Cape zu bekommen ist kein Problem. Und er darf sich auch einen Block und einen Stift nehmen.
Die Redakteurin beginnt, einer der Damen ein paar Fragen zu stellen, wobei sie sich zunächst für die Nachwuchsreiter interessiert und fragt, wie sehr diese "nach oben" drängen. "Das sind doch die Geschichten, die wir lieben." Filch hat ihr schon draußen erklärt, dass er eher so gut zu sein versucht, wie er sein kann, aber in diesem Fall unterbricht er sie nicht, um seine um Perfektion bemühte Tarnung als an Inhalten eher desinteressierter Redaktions-Hospitant, dem Tiere im Grunde völlig egal sind, nicht gleich aufzugeben.
Früher, erfährt Filch, habe das Turnier "unten, an der Westdeutschen Wiese" stattgefunden, aber das Geläuf, sprich: der Rasen sei dort zu schwer für die Pferde gewesen. Filch, der den Plan gerade nicht genau im Kopf hat, fragt, ob der Faden auch dann hätte abgehängt werden müssen, wenn das Turnier in diesem Jahr wieder dort stattfinden würde; aber auf diese Frage hat eigentlich niemand eine erschöpfende Antwort.
Bei dem bevorstehenden Turnier, soviel ist allen klar, treten die Sieger gegeneinander an. Filch ist ein bißchen langweilig. Und es ist wahrscheinlich sogar noch mehr das als Ehrlichkeit, was ihn plötzlich aus heiterem Himmel sagen lässt: "Mir haben dressierte Pferde immer Leid getan. Auch im Zirkus." Für diese Haltung fehlt es allerdings offenbar allen Anwesenden an Verständnis.
Vor dem Zelt wird Filch von der Redakteurin als "Charlie" vorgestellt, obwohl er genaue Anweisung gegeben hat, dass er hier einfach als "Filch" vorgestellt werden möchte. Er kommt nicht umhin, seine "Vorgesetzte" öffentlich zu korrigieren und in nahezu atemberaubender Geistesgegenwart hinzu zu setzen: "In den ersten Tagen und Wochen, in denen man in der Redaktion ist, wird festgelegt, wie die nächsten zwanzig Jahre ablaufen. Wenn man einmal ´Charlie´ist, dann bleibt man auch ´Charlie´." Und obwohl sein an wohlerzogene Schroffheit grenzender Ton zunächst zunächst für leichte Irritation sorgt, leuchtet diese Argumentation letztendlich allen ein.
Als nächstes haben seine "Chefin" und er das Privileg, einen sehr selbstbewusst aussehenden, hochgewachsenen Reiter zu interviewen, der fast gänzlich in weiß gekleidet ist. Filch fragt ihn, ob es für Pferde ein Problem ist, wenn sie von unterschiedlichen Reitern geritten werden, was der Mann klar verneinen kann. Das sei "Gang und Gäbe". Filch fragt ihn, ob ihm Dressurreiten mehr Spaß mache oder Springreiten, worauf ihm der Reiter antwortet, dass es in seinem Fall ganz klar das Springreiten sei.
Als Filch und die Redakteurin wieder mit der Dame, die sich freundlicherweise bereit erklärt hat, sie ein wenig herumzuführen, allein sind, wird ihnen erklärt, dass Filchs Frage insofern "süß" gewesen sei, als dass er sie gerade einem Mann gestellt hat, der vor wenigen Tagen bei der Europameisterschaft im Springreiten mit seiner Mannschaft die Silbermedaille gewonnen hat.
Vom Zelt aus, in dem die Kameras aufgestellt sind, hat man einen Blick auf die Veranstaltertribüne. Filchs Anfrage, ob man kurz mit den Verantwortlichen sprechen könnte, wird eindeutig beantwortet: "Dafür gab es die Pressekonferenz."
Er hätte in Erfahrung bringen müssen, wann die Pressekonferenz ist, denkt Filch. Und er hätte sich von irgendwoher einen Presseausweis besorgen müssen. Es wäre verhältnismäßig leicht, einfach zur Tribüne empor zu rufen: "Finger weg vom Faden!" Aber er hat einen guten Grund, es nicht zu tun: die Pferde, die inzwischen bereits sehr konzentriert ihre Runden laufen. Er hat gehört, dass es hoch sensible Tiere sind. Er möchte hier komplett überhaupt nichts Schuld sein. Möchte mit keinem nervösen Aufbäumen oder dem Abwurf eines Jockeys oder einer Verunsicherung, die ihm später als Manipulation ausgelegt werden könnte, in Verbindung gebracht werden. Er möchte auch nicht einfach als unbeherrschter Rufer auf sich aufmerksam machen. Er möchte in die bereits in Position befindlichen Kameras hinein sagen, dass es seiner Meinung nach ein Fehler war, den Faden vor dem Schloss abzuhängen.
Er wendet sich an die Redakteurin, um zu fragen, ob bitte sofort jemand eine Aufnahme von ihm machen könnte. Aber sein Satz: "Wegen der Aufnahme -" wird von ihr mit den Worten: "Ja, ich bin mittlerweile von diesem Vorhaben ein wenig abgekommen", unterbrochen. FIlch versteht, dass sie auch ohne ihn genug zu tun hat, fragt aber noch einmal nach, ob er richtig verstanden habe, dass sie ihn nun doch nicht aufnehmen wolle, und sie deutet an, dass es wahrscheinlich das Sendekonzept sprengen würde, seinen Protest zu integrieren. Als sie seine Enttäuschung sieht, versichert sie aber, dass sie sich melden würde, falls sie ihre Meinung doch noch ändern sollte. Sie möchte jetzt in einen Bereich des Turnierplatzes, für den man mit seinem Armband keinen Zutritt hat. Ihre Begleiterin erklärt ihnen, dass Filch dafür ein anderes Armband bräuchte oder im allgemeineren Bereich bleiben muss. Er bitte um zwei Minuten mit seiner "Chefin unter vier Augen", die ihm "natürlich" gewährt werden.
Filch erklärt der Redakteurin, er würde jetzt gehen. "Das alles hier", erklärt er, "ist einfach nicht meins." Die Redakteurin nickt und sagt, ihrs wäre es eigentlich auch nicht. Sie verabschieden sich, und Filch verlässt den Turnierplatz. Er möchte einfach nur weg.
Trotzdem kann er es sich nicht verkneifen, beim Imbiss-Stand zu fragen: "Und hier gibt es wirklich ALLES umsonst?" Aber man versteht seinen Witz nicht und verweist ihn ans VIP-Zelt.
Draußen vor der Absperrung öffnet er das Armband, wobei ein winziger Plastikpin zu Boden fällt, der - nachdem er einmal herausgebrochen ist - ein künftiges Wieder-Verschließen des Armbands unmöglich macht. Gut so, denkt Filch, nachdem sich seine Überraschung über den Argwohn, der hinter der Konstruktion steckt, gelegt hat.
Dann läuft er hinter das Schloss, um den Faden zu sehen.
Nach diesem ersten Teil des Tages, den er größtenteils als Niederlage begreift, spürt er, dass er das Gespräch mit jemandem braucht, der Freigeistigkeit und Rebellion verkörpert, und beschließt, zum "Metropolis" zu gehen und sich ein wenig mit der Skulpturaufsicht mit den dunklen Locken zu unterhalten, von der er weiß, dass sie heute dort arbeitet.
Sie erzählt ihm, dass sie am Tag zuvor eine Sportart ausprobiert hat, die Capoeira heißt, und eine Mischung aus Tanz und Kampf ist. Filch findet die Mischung exotisch aber heute nicht ganz unnachvollziehbar. Am Mittwoch nach dem "Beggar´s Evening" hat sie ihm überdies eine unvergessliche deutsche Übersetzung des Synonyms "fyal" gegeben. Das deutsche Kürzel "BDKL" klingt, wie Filch findet, sehr offiziell. Sie sagt, er könne es, genau wie den kurzen Film, den er von ihr gedreht hat und in dem sie die Übersetzung in voller Länge aber unprätentiös zum Besten gibt, ruhig veröffentlichen. - Allerdings nur unter der Bedingung, dass Dora García sie einlädt UND PERSÖNLICH FÜR SIE KOCHT.
Filch kann dazu natürlich nichts sagen, findet das Angebot aber sehr fair.
Abends am Goldenen Käfig trifft er jemanden, der sich bereit erklärt, mit ihm Martin Boyces "We are still and reflective" zu besuchen. Der Mann kennt sich sehr gut mit den Skulpturen aus, und als sie am Schlossgarten ankommen, sind sie einer Koreanerin dabei behilflich, drei Werke von 1987 zu finden, die sie bereits seit Stunden vergeblich gesucht hat, bevor sie sich zu dritt auf den Weg zu "We are still and reflective" machen.
Damals, an seinem ersten Tag in Münster, hat Filch diese Skulptur im Rahmen einer Fahrradtour bei strömendem Regen besucht und zuerst verstanden, dass sie "We are still ineffective" heißt. Jetzt erst, im fast schon herbstlichen Abendlicht, begreift er, warum die Skulptur heißt, wie sie heißt: "We are still and reflective". Er liest jeden einzelnen Buchstaben vom Boden und versteht auch, weshalb das Wort "and" außerhalb steht. Es ist ein sehr friedlicher und tröstlicher Moment, und er denkt kurz über sein eigenes Ende nach und den Zeitpunkt, ab dem er nicht mehr "reflective" sein wird.
Ihm wird oft die Frage gestellt, was nach dem 30. September mit ihm passiert. Und an Abenden wie diesem glaubt er es zu wissen: Er wird einfach dahin zurückgehen, wo er hergekommen ist. In die "Beggar´s Opera".
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