English synopsis. The Beggar's Diary 03.08.07. – The Spiekerhof is blooming today. Countless people come to see The Beggar at his Büro (office), and Filch collects 3,50 euro. At the end of his Bürozeiten (office hours), an exhibition guide comes to ask him if they could fix an appointment for later on so she can introduce The Beggar's Opera to her clients, but Filch informs her that he is not planning on stay around much longer. "Well, at least we have seen you for a little while". Filch considers this quite a superficial approach to sculpture (and specially to Sculpture No. 06). He picks up his merchandise and leaves. Unfortunately, he thinks shrugging his shoulders, he never can preview when people will want to see him or not …
He has other ambitions. He asks an old friend (someone he met last Monday) to help him to write an application letter to the Muenster Theater (the one he sees indicated at the Spiekerhof). So many people insists he is an actor, so he has finally decided to try out such a profession and, who knows?, perhaps this will be his ticket out of misery.
On his way to the train station he sees a traffic sign: "Telgte 14". He remembers now. Telgte was the village where they found Michael Asher’s caravan after it had been missing for two days, presumably stolen. Curious to think about the fact that during the two days the caravan was away from SPM07, it stopped being an artwork to be just a caravan. How aware were the thieves of the qualities of that thing they ware dragging around? What did they feel: exhilaration or fear? No one can say.
Bettlertagebuch 03.08.07 (Freitag)
Als Filch fünf Schweizer Franken geschenkt werden, kann er nicht umhin, die silberne Münze erst einmal eingehend, fast bewundernd zu betrachten. Er zwingt sich sonst immer, in Geld nichts weiteres zu sehen als Geld, aber diese Münze wirkt so sauber, so schlicht und dabei (trotz ihres mäßigen Gewichtes) so gewichtig, dass er seinem Besucher erklärt, dass er nicht gewusst habe, wie schön das Geld aus der Schweiz ist.
"Das Geld ist schön", antwortet der Schweizer, "aber das, was dahinter ist, ist vielleicht nicht immer schön."
Eine Frau hat Filch vom Restaurant aus eine Stunde lang beobachtet, wie er darauf gewartet hat, angesprochen zu werden, wie er selbst versucht hat, mit Passanten ins Gespräch zu kommen, wie er unruhig sein Gewicht von einem Bein auf das andere verlagert hat und schließlich eine Runde gelaufen ist, um sich die Beine zu vertreten. Während sie spricht, sieht sich Filch all das noch einmal tun. Sie schenkt ihm zwei Euro.
Um kurz vor eins - Filch hat sich noch mit einem Mann, der "für seine Frau" gefragt hat, ob er Filch sei, und dessen Frau und Schwägerin schließlich doch noch hinzukommen, unterhalten und weitere 1,50 Euro geschenkt bekommen - versucht ihn eine Frau, die scheinbar Sprecherin einer Gruppe von Kunstbegeisterten ist, auf später zu vertrösten. Filch gibt zu bedenken, dass er heute nicht viel länger an dieser Stelle verweilen wird, und sie sagt: "Dann haben wir Sie wenigstens gesehen."
Filch nimmt seine Tragetasche und den Rucksack und geht. Wenn das den Leuten reicht, denkt er, dann kann ich ja nun wirklich nichts helfen.
Während er seinen Briefkasten am Dom kontrolliert, kommen ihm drei mutmaßliche Jurastudenten entgegen, die den Postkasten offensichtlich nicht für das halten, was er ist, aber Filch konfrontiert die Menschen eben auch ein Stück weit mit ihrer eigenen Fantasie.
Die letzte Post, die er bekommen hat, denkt er beim Weitergehen, war das Schwarz-Weiß-Foto am Anfang der Woche. Plötzlich bekommt er fast so etwas wie ein schlechtes Gewissen: er hat fast sehnsüchtig auf dieses Foto gewartet und jetzt trägt er es seit vier Tagen einfach so mit sich herum. - Er wollte doch damit arbeiten; er wollte es doch investieren. Die Floristin, der er am Montag begegnet ist, hatte doch sogar versprochen, ihm beim Schreiben eines Begleitbriefs zum Foto behilflich zu sein! Aufs Geratewohl geht er weiter in Richtung Stadtmitte, zu dem Gebäude, vor dem sie sich das letzte Mal verabschiedet haben. Er weiß, dass man praktisch nie jemanden trifft, den man zu finden hofft, aber er hat gerade nichts Besseres vor, und die 3,50 Euro vom Vormittag wird er noch früh genug ausgeben. Da hat er überhaupt keine Bedenken.
Und da ist sie! - Nicht ganz so, als hätte sie auf ihn gewartet, aber da ist sie. Filch spricht sie an und sie erinnert sich an ihn. Sie hat zwar viel zu tun, bittet ihn aber trotzdem mit in das Büro, in dem sie gerade arbeitet.
Den "Blumencomputer" hat Filch sich etwas anders vorgestellt, aber es macht ja letztendlich überhaupt keinen Unterschied, wie das Instrument selbst ausgesehen hat, mit dessen Hilfe man einen Brief hat schreiben können.
Und überhaupt ist diktieren etwas, woran Filch sich leicht gewöhnen könnte.
Der Brief geht ans Schauspielhaus, denn Filch ist in den vergangenen Wochen so oft gefragt worden, ob er "eigentlich Schauspieler" sei, dass er davon ausgeht, dass er diesen Beruf eventuell wirklich ausüben könnte. Und als ihm dann bei Regen unter den Arkaden nahe Punkt "06" auch noch der Wegweiser mit dem Schild in Richtung "Theater" aufgefallen ist, war der Verwendungszweck des Schwarz-Weiß-Bildes praktisch beschlossene Sache.
Er formuliert das Anschreiben mit einer gewissen Großspurigkeit aber ehrlich.
Als er den Brief zur Post bringt, ist er einigermaßen entsetzt darüber, dass das Porto nahezu drei Siebtel seines bisherigen Tagesverdienstes verschlingt. Er könnte den Brief auch persönlich zum Theater bringen, aber er glaubt, mit einem persönlich eingeworfenen Brief am Theater praktisch keine Chance zu haben.
Nachdem der Brief aufgegeben ist, fühlt er sich besser. Es ist kein schlechtes Gefühl, wenn die Dinge auf den Weg gebracht sind, findet Filch.
Erst auf dem Weg zum Bahnhof fällt ihm ein, dass er für die Floristin ja eigentlich als Dank die Zigarette aufgehoben hatte, die er am Montag nachmittag für die Führung durch das Skulptur-Projekt von Isa Genzken bekommen hat, aber dazu ist es in der Eile, die Dinge auf den Weg zu bringen, gar nicht gekommen. - Obwohl er sich natürlich bedankt hat. Auch für den Umschlag.
Als sein Weg die Promenade kreuzt, stößt er auf einen weiteren Wegweiser. Auf einem der beiden Pfeile, die nach links deuten, steht: "Telgte 14". Er bleibt stehen. In Telgte, denkt er, ist der jüngst gestohlene Caravan von Michael Asher wiedergefunden worden. Die Diebe haben es mit dem Kunstwerk, das außerhalb der Ausstellung überhaupt kein Kunstwerk mehr gewesen sein soll, also ungefähr 14 Kilometer weit geschafft. Filch überlegt: für eine Strecke von 14 Kilometern braucht man bei einer Geschwindigkeit von durchschnittlich 50 Stundenkilometern nur wenig mehr als eine Viertelstunde. "Sagen wir mal: 20 Minuten", einigt er sich mit sich selbst.
Das waren vielleicht 20 Minuten pure Angst, denkt er, während er weiterläuft. 20 Minuten haben sie ausgehalten. Es könnten allerdings auch 20 Minuten Rausch gewesen sein, und als der Rausch verflogen war, hatte sich möglicherweise erst die Angst eingestellt. Wer kann das schon sagen?
Ende der 7. Woche
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